Die Filmwelt feiert Amazon zur Abwechslung mal als originellen Produzenten. Bei den Preisverleihungen in den USA räumen die Serien des Online-Händlers derzeit ab: „Transparent“ zum Beispiel hat gerade erst einen Golden Globe gewonnen.

Stuttgart - Der Online-Multi Amazon gilt im Allgemeinen nicht gerade als ein Freund der Kreativen. Der erbitterte Krieg des Konzerns gegen die Buchverlage hat ihm den Ruf eingetragen, aus den Erzeugern seiner Produkte erbarmungslos auch noch den letzten Cent Profit heraus zu pressen.

 

Angesichts dieser misslichen PR-Lage dürfte man sich in den Chefetagen von Amazon in Seattle doppelt darüber freuen, dass die Filmwelt derzeit den Konzern als originellen Schöpfer feiert. Schon bei den Golden Globe Awards in der vorvergangenen Woche räumten von Amazon produzierte Serien ab, bei den Critics Choice Preisen am letzten Wochenende setzte sich die neu gefundene Wertschätzung des einstigen Buchversands fort.

Für das Gros der Aufmerksamkeit auf Amazon als Inhalte-Schöpfer sorgt derzeit die TV Serie „Transparent“, die Amazon selbst exklusiv für den hauseigenen Streaming Dienst Prime produziert hat. „Transparent“ gewann als erste Serie eines Streaming-Dienstes überhaupt einen Golden Globe für die beste Fernsehserie – sehr zum Ärgernis des Rivalen Netflix. Bei den Critics Choice Preisen wurde Jeffrey Tambor dann auch noch für seine Rolle in „Transparent“ als bester Hauptdarsteller in einer Fernsehserie prämiert.

Man scheut schwere Themen nicht

„Transparent“ ist genau die Art von Serien-Produktion, die man heutzutage von einer Qualitäts-Fernseh-Sendung erwartet. Traditionelle Formeln des Genres werden über Bord geworfen, es gibt weder den Zwang zur Leichtigkeit noch zu Happy Endings. Man scheut sich nicht vor schweren sozialen Themen und mutet dem Zuschauer allerlei Tabubrüche zu, die im Familienfernsehen bei den TV-Netzwerken nicht möglich wären.

„Transparent“ dreht sich um einen gestandenen Professor und Vater dreier erwachsener Kinder, der sich im schon fortgeschrittenen Alter dazu entschließt, sich nach einer jahrzehntelangen Lebenslüge offen zu seiner Transsexualität zu bekennen. Die bislang zwei Staffeln der Serie beziehen ihren unwiderstehlichen Reiz aus dem umfassenden Selbstfindungsprozess, den das Coming Out des Pater Familias in der ganzen Sippe auslöst. Am Ende ist nichts mehr so wie zuvor. Tröstlich und rührend ist jedoch, dass die Familie trotz allem zusammen hält.

Die etwas andere Familienserie ist allerdings nicht die einzige Amazon-Produktion, die derzeit von sich reden macht. Ebenfalls mit einem Golden Globe geehrt wurde Gael Garcia Bernal für seine Hauptrolle in „Mozart in the Jungle“ – eine überaus kurzweilige Komödie um Sex, Drogen und Intrigen innerhalb des New Yorker Symphonieorchesters.

Der Konzern investiert

Die Ehrungen bestätigen Amazon auf seinem erst vor zwei Jahren eingeschlagenen Kurs, in hochwertige Fernsehproduktionen zu investieren. 100 Millionen beschloss man damals auszugeben, um Serien zu drehen, die mit den Produkten der Marktführer Netfllix und HBO mithalten können. Das Amazon das kann, hat der Konzern jetzt eindrucksvoll bewiesen. Deshalb legte man auch gleich nach, gerade wurde bekannt, dass Amazon für 250 Millionen die Rechte erworben hat, mit den Stars der britischen Erfolgsserie „Top Gear“ eine neue Serie zu drehen.

Hinter all dem steckt freilich ein weiteres Interesse als die altruistische Förderung des filmischen Erzählens. Amazon will mit den In-House Produktionen Abonnenten für das Amazon Prime Angebot gewinnen, das freien Versand für Waren aller Art und Zugang zum wachsenden Film- und Fernsehangebot beinhaltet. Vielleicht bedeutet die neue Konzentration auf Fernsehen jedoch wenigstens eine Entlastung für die Buchverlage. Amazon hat neuerdings nämlich anderes im Sinn, als billig Bücher zu verkaufen.