Heute beginnt „Wild Girls“, eine Art Dschungelcamp-Variante in Namibia. Die hintere Prominentenriege, die diesmal ausschließlich aus Frauen besteht, wird wilden Tieren und anderen Herausforderungen begegnen.

Stuttgart - Man muss diese jüngste Verzweiflungstat von RTL mal aus der Perspektive eines Spitzmaulnashorns betrachten: Da platzen zwölf Vertreterinnen der Spezies Homo sapiens in sein Revier, die namibische Wüste. Es ist kein Ort für Frauen, die das Frau-Sein zum Beruf gemacht haben. Keine Boutique, kein Nagelstudio, keine Prosecco-Tankstelle in fuß-, nein, High-Heels-läufiger Nähe.

 

Auf freier Wildbahn fallen die Kandidatinnen sofort auf, nicht nur wegen ihrer Brüste. Sie rutschen in engen Kleidchen die Dünen herunter, sie fangen Ziegen ein, die irgendwer hier ausgesetzt hat. Sie wackeln mit dem Hintern, so, wie es ihnen einheimische Frauen vorgemacht haben. Himba-Shake heißt dieser Tanz. Dazwischen renovieren die Eingeflogenen ihre Kriegsbemalung, soweit das bei Temperaturen von 50 Grad geht.

Wie reagiert das männliche Spitzmaulnashorn auf die Invasion dieser Silikonbräute? Nun, es dreht ihnen demonstrativ das Hinterteil zu. Diese Art von Frauen interessiert es nicht.

Opfer der Schönheitschirurgie

Das unterscheidet ihn vom Gros der deutschen Fernsehzuschauer. Die, so haben es sich die Programmmacher von RTL wohl gedacht, sind nicht annähernd so stilsicher wie das Spitzmaulnashorn. Und deshalb können wir auch ohne Umweg an die Instinkte der Zuschauer appellieren: Es gibt Brüste, Baby.

Mit dabei sind Sophia Wollersheim und andere Opfer der Schönheitschirurgie, die das Publikum bestimmt schon aus dem Fernsehen kennt, aus Sendungen wie „Big Brother“, dem „Bachelor“ oder dem „Dschungelcamp“. RTL jagt sie jetzt dahin, wo sie, glaubt man Feministinnen, sowieso hingehören – nämlich in die Wüste.

„Wild Girls“ nennt die RTL dieses Experiment am offenen Herzen der TV-Unterhaltung: Was passiert, wenn man zwölf examinierte Absolventen des Reality TV in einem Billigbomber in die Dritte Welt schickt? Kratzen sich die Frauen schon auf dem Flug die Augen aus, weil es nur eine Gala für alle gibt? Oder entbrennt der Krieg erst in der Wüste, beim Run auf das letzte Fersenpflaster? Und wer ist eigentlich die Ziege, die es einzufangen gilt?

Das Camp im Dschungel ist ausgebucht

Sarah Knappik, das „Dingens“, das, ohne es zu merken, schon das „Dschungelcamp“ 2011 gerockt hatte? Barbara Engel, geschiedene Herzsprung, mit ihren sechzig Jahren und Erfahrungen als Hartz-IV-Empfängerin und Insassin im Dschungelknast die Inge Meysel der It-Girls? Oder ein österreichischer Travestiekünstler mit Brüsten und Bart, der auf den schönen Namen Wurst hört, Conchita Wurst?

Bis zu den nächsten RTL-Spielen ohne Grenze ist es noch eine Weile hin. Und das Camp im australischen Dschungel ist erstens sauteuer und zweitens auch schon ganzjährig ausgebucht. Mama Afrika, haben sie sich bei RTL gedacht, tut es auch, hart und kein bisschen herzlich. Sie soll den Kandidatinnen die Augen dafür öffnen, worauf es im Leben ankommt. Wasserdichte Wimperntusche, soviel darf man schon mal verraten, gehört nicht dazu. Und auch den Genuss brechreizerregender Pausensnacks wie Känguruhoden enthält der Sender den Frauen vor.

Man darf die „Wild Girls“ eben auch nicht überfordern. Die Dokusoap, das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Z-Prominente, die im Zoo des Privatfernsehens groß geworden sind. Begegnungen „mit Schlangen, Spinnen, Krokodilen und einheimischen Völkern“ lassen sich in diesem Winkel der Erde zwar nicht ganz vermeiden, aber, sonst hätte man die Frauen auch in einem Ferienbiwak in der Lüneburger Heide internieren können oder, wie es Sat 1 zuletzt 2011 erfolglos versucht hat, in einer Hütte auf der „Alm“.

Die Latte hängt tief

Sie brauchen ihre Krallen noch für die eigentliche Herausforderung, den Kampf um die Hackordnung. Die Kandidatinnen dürfen, nein, müssen selber entscheiden, ab wann eine Herausforderung als bestanden gilt, wer mit einer Nacht im Kingsize-Bett belohnt und wer stattdessen auf dem Boden einer Himba-Hütte schlafen muss. Man kann sagen: die Frauen stellen Darwins Theorie vom Survival of the fittest auf den Kopf. Wer hier als Gewinnerin des Goldenen High Heels herauskommt, würde auf freier Wildbahn keinen Tag überleben.

Die Latte bei diesem Niveau-Limbo hängt so tief, dass es RTL schwer gehabt hat, Texter zu finden, die es sich zugetraut hätten, dieses Daherplappern noch angemessen ironisch zu kommentieren. Es fehlte schlicht und einfach die Fallhöhe. „Da können die Macher auch gleich eine CD mit Tittenwitzen abspielen“, sagt einer, der das Angebot abgelehnt hat.

Das ist nur ein bisschen ungerecht. Immerhin haben die Teilnehmerinnen dieser Arbeitsbeschaffungsmaßnahme die Zuschauer vor einer noch größeren Zumutung bewahrt: Das Big-Brother-Celebrity-Camp von Sat  1 muss vorläufig verschoben werden, mangels C-Prominenten, wie es heißt. Die seien im Sommerloch alle ausgebucht. Siehe die „Wild Girls“. So gesehen gebührt denen bei aller Kritik auch Respekt. Man kann sich nur wünschen, dass RTL sie so oft wie möglich in die Wüste schickt, künftig allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Spitzmaulnashorn, wie gesagt, hätte nichts dagegen.