Der Pforzheimer Bauzeichner Harry Wörz ist zu Unrecht wegen des versuchten Totschlags an seiner Frau verurteilt worden. Jahrelang saß er in Haft. Jetzt dreht der SWR einen Fernsehfilm über diesen Fall.

Pforzheim - Es klingt wie der Anfang eines Kafka-Romans: Ein Mann ist wie jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit, als plötzlich und völlig unerwartet das Ungeheuerliche über ihn hereinbricht – ohne, dass er etwas dagegen tun kann. ‚Jemand musste Harry W. verleumdet haben, denn ohne, dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet‘. Der Fall Harry Wörz, der im Januar 1997 unschuldig wegen versuchten Totschlags an seiner damaligen Ehefrau verurteilt wurde, ist als einer der größten Justizirrtümer der deutschen Geschichte bekannt. Was auf die Verurteilung folgte, war eine Odyssee durch das Justizwesen, die erst zwölf Jahre später ihr Ende fand.

 

Nun wird der Fall zum Stoff für einen 90-minütigen Spielfilm, den der SWR gemeinsam mit ARD Degeto bis Ende September in Pforzheim und Berlin dreht. Ein kafkaeskes Gefühl habe man öfter gehabt, als Wörz ihnen seine Geschichte geschildert habe, erinnerte sich Drehbuchautor Holger Joos gestern am fünften Drehtag in Pforzheim, dem Schauplatz, an dem alles seinen Anfang nahm: Der Tag der Verhaftung, an dem sich das Leben des Harry Wörz schlagartig änderte und zwölf Jahre lang von Machtlosigkeit, Willkür und dem Gefühl, in den Mühlen des Justizwesens zermahlen zu werden, bestimmt werden sollte.

Enge Zusammenarbeit mit dem Filmteam

An diesem Tag setzt auch der Film ein und verfolgt den Irrweg Wörz‘ bis zu seinem finalen Freispruch im Jahr 2010. Der reale Harry Wörz zog sich nach diesem Ereignis immer stärker aus der Öffentlichkeit zurück. Zu groß das Medieninteresse, zu traumatisierend die Erlebnisse, die er hinter sich hatte. Er habe sich gefühlt, als stünde er an einer Mauer, an der er nicht mehr atmen konnte, sagte er gestern. Da saß er zwischen Joos, Produzent Sascha Schwingel von TeamWorx und Regisseur Till Endemann auf einer Bank im Stadtgarten und sprach das erste Mal seit Langem wieder über das, was ihm passiert ist.

Obwohl er eigentlich „nichts mehr davon hören“ wollte, sei er letztendlich doch froh gewesen, dass Schwingel mit ihm darüber habe sprechen wollen. „Er hat Recht, man muss die Leute aufrütteln und ihnen zeigen, dass nicht alles richtig ist, was die Polizei macht“, sagte Wörz.

Die Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Filmteam ist entsprechend eng: „Wir wollten nicht einfach ein Drehbuch verfilmen, sondern etwas Wahrhaftiges erstellen“, so Regisseur Till Endemann. Also las Wörz das Drehbuch, machte Verbesserungsvorschläge, wo er sie für angebracht hielt, nahm an den Dreharbeiten in Pforzheim teil und traf sich im Vorfeld mehrfach mit den Verantwortlichen. „Es war ein enormer Kraftakt für ihn. Es ist natürlich eine sehr persönliche und intime Sache, für uns alte Fotos rauszuholen und so viel von sich preiszugeben“, so Schwingel.

17 Kilo musste der Darsteller abspecken

„Beim Verfilmen realer Ereignisse kann man als Filmemacher Einiges falsch machen. Man muss den realen Figuren mit Respekt und Anstand begegnen und dafür sorgen, dass die Geschichte einen Wert hat.“ Wenn Endemann von ‚Wert‘ spricht, meint er ‚Wahrheit‘. Ein „Plädoyer für die Wahrheit“ soll der Film werden und darüber, was geschieht, wenn sie nicht eingehalten wird. „Wir wollen alle Mittel und Wege einsetzen, um eine solche Geschichte über das Sendegebiet hinaus bekannt zu machen. Wenn die Justiz versagt, geht uns das alle an“, so Michael Schmidl vom SWR.

Auch seinen Doppelgänger, Hauptdarsteller Rüdiger Klink, traf Wörz im Vorfeld der Dreharbeiten. „Für ihn ist die Situation wahrscheinlich schwieriger als für mich. Er muss sich ja auf mich einstellen“, meinte er mit einem Blick auf den Schauspieler, der ihm in voller Montur zum Verwechseln ähnlich sah. Klink selbst, der für die Rolle 17 Kilo abnehmen musste, erinnerte sich an die erste Begegnung mit Wörz Mitte Mai: „Es ist schon eine absurde Situation, jemanden zu treffen, den man spielt. Meistens sind die Menschen, die man verkörpert ja schon nicht mehr am Leben.“ Er wolle dennoch keine Imitation von Harry Wörz spielen. „Es ist immer noch Fiktion. Eine Ähnlichkeit ja, aber keine Kopie.“