„Downton Abbey“ ist das süchtig machende Porträt Englands vor hundert Jahren. Die Serie liegt himmelweit über deutschen TV-Adelshistörchen.

Stuttgart - Wie bekommen die das immer nur hin, die Engländer? Wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass sie die schöneren Landsitze haben, die für Verfilmungen von Jane Austen und Evelyn Waugh („Brideshead Revisited“!) die stilsatte Kulisse abgeben. Und so spielt in der längst viel gepriesenen Serie „Downton Abbey“ des britischen Senders ITV der titelgebende Familiensitz die stumme Hauptrolle, ein imposanter Neo-Renaissance-Bau (es handelt sich um Highclere Castle in der Grafschaft Hampshire).

 

Aber natürlich liegt es auch an allem anderen, das „Downton Abbey“ so himmelweit über schlecht ausgeleuchtete deutsche Fernsehadelshistörchen hebt: das trocken-witzige Drehbuch von Julian Fellowes, die genau rekonstruierten Interieurs, Kostüme und Requisiten, die punktgenaue Dramaturgie und das grandiose Schauspielensemble, dessen Doyenne Maggie Smith als Gräfin Violet Crawley ist. Die zum Verlieben säuerlich-bissige Mutter des Grafen von Grantham hat mit so ziemlich allem ein Problem, weil die guten alten Zeiten 1912 dabei sind, dahinzugehen.

Der Sohn hat ein Problem

Ihr Sohn (täppisch liebenswürdig: Hugh Bonneville) hat tatsächlich ein Problem. Als Vater dreier Töchter fehlt ihm der männliche Erbe. Um das Vermögen seiner amerikanischen Frau (reife Schönheit: Elizabeth McGovern) und den Besitz in der Familie zu halten, muss eine Tochter einen Verwandten heiraten. Das Pech geht gleich in der ersten Folge los: Der Cousin, der die älteste, Lady Mary, von Michelle Dockery als englisch herbe Rose gespielt, heiraten soll, gluckert ab mit der Titanic. Und so nimmt die Suche unter der männlichen Verwandtschaft ihren Lauf.

Den Reiz der Serie ergibt die Spiegelung der geregelten Beletage im unten gelegenen Reich der Dienstboten, deren Hierarchie nicht minder festgezurrt scheint. Doch es gärt freigeistig und intrigant, Sehnsucht und Verdrängung suchen ihre Bahn. Etwas davon dringt hinauf (oder war es dort längst und hat die Dienerschaft unausgesprochen infiziert?) – nicht unbedingt in den Geist ihrer Lordschaft, aber in den der Ladys.