Was klappt gut, und wo hakt es beim Homeschooling? Ein digitaler Besuch einer Mathestunde bei der Realschule in Filderstadt-Bonlanden zeigt: Man hat aus dem ersten Lockdown viel gelernt. Doch es gibt auch Probleme, die bleiben.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Bonlanden - „Hört ihr mich? Seht ihr mich?“ So beginnt an einem Mittwochmorgen um 9.35 Uhr die Mathematikstunde der Klasse 5 B der Realschule Bonlanden. Der Rektor Thomas Dreher begrüßt seine Schüler über die Videokonferenz bei Teams. Er sitzt vor seinem Computer im Rektorat, die 24 Schüler zu Hause an ihren Computern, Tablets oder Handys. „Erst wollen wir eure Hausaufgaben besprechen, danach eine neue Figur anschauen, und dann üben wir ein bisschen“, sagt der Mathelehrer.

 

Auf dem geteilten Bildschirm erscheint das Hausaufgabenblatt mit verschiedenen geometrischen Figuren. „Aufgabe drei: Ist die Figur ein Rechteck?“, fragt Dreher. Viele digitale Hände gehen hoch, zu sehen an kleinen, gelben Handsymbolen, die neben den jeweiligen Namen auftauchen. An diesem Morgen klappt die Übertragung aber nicht einwandfrei – die Schüler sehen die Hände, der Lehrer aber nicht. So ruft Dreher einfach Schüler auf.

Bei technischen Problemen gibt’s Tipps der Klassenkameraden

Als nächstes zeigt der Lehrer ein Parallelogramm und fragt nach dessen Besonderheiten. Die Schüler bekommen fünf Minuten Zeit, die Skizze in ihr Merkheft zu übertragen. „Herr Dreher, können Sie bitte weiter wegzoomen? Ich sehe es nicht ganz“, merkt eine Schülerin an. „Man kann auch selber hinzoomen“, antwortet ein Klassenkamerad und erklärt, wie sie dafür die Finger am Touchpad bewegen muss. So nimmt die Stunde ihren Lauf, es wird gefragt, geantwortet und erklärt. Nach 45 Minuten sagt Dreher: „Nun loggt euch in die nächste Stunde ein. Die Hausaufgaben findet ihr im Padlet. Tschüss!“

Dreher ist sehr zufrieden mit der Klasse. „Sie sind diszipliniert, und es war toll, wie sie Probleme diskutiert haben“, sagt der Schulleiter. „Sie lernen, sauber zu formulieren. Inhaltlich kommt es ähnlich gut rüber wie in einer normalen Mathestunde.“ Natürlich hätten sich im Fernunterricht alle Seiten umstellen müssen – Lehrer, Schüler und Eltern –, aber alle hätten aus dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 gelernt.

Fernunterricht gibt dem Tag Struktur

Anders als damals, als vor allem Aufgabenblätter zum selbstständigen Bearbeiten verschickt wurden, wird diesmal nach Stundenplan Unterricht gehalten. Eltern melden Dreher zurück, dass das helfe. „Es gibt den Familien einen strukturierten Tag. Und es gibt keine Diskussion darüber, wann was erledigt wird.“ Beschwerlich sei allerdings, wenn ein Kind dem Unterricht übers Handy folgen müsse. Zwar liefen eine Reihe von Hilfsprogrammen, um diesen Schülern Computer zur Verfügung zu stellen, bei der Realschule Bonlanden seien aber noch keine angekommen.

Auch wenn Dreher von der Qualität des Fernunterrichts angetan ist, so sieht er auch Nachteile. Zum einen seien praktische Lernanteile kaum umsetzbar, etwa im Fach Technik. Dies müsse nach dem Lockdown nachgearbeitet werden. Zum anderen sei der Lernerfolg nicht gut zu überprüfen. Im Klassenzimmer gehe der Lehrer durch die Reihen und schaue den Schülern über die Schulter. Hausaufgaben könnten nicht genügend kontrolliert werden. „Bei manchen schleichen sich Fehler ein. Da sehe ich Grenzen des Fernunterrichts.“ Einen Vorteil des digitalen Unterrichts kann Dreher aber auch benennen: Manch ein Schüler meldet sich häufiger, der im Präsenzunterricht eher still war.

Der Pandemieschutz steht über allem

Klassenarbeiten werden geschrieben, wenn sie „zwingend erforderlich zur Leistungsfeststellung“ sind, zitiert Dreher aus der Regelung des Landes. Jeden Tag seien ein bis zwei Klassen im Haus, unter strengen Hygienevorgaben. Vor allem die Zehntklässler, deren Abschlussnoten entscheidend sind, erscheinen für Klausuren. Natürlich müsse aufgepasst werden, dass das Wiedersehen nicht zur Freudenfeier ausarte. Dreher betont: „Der Pandemieschutz hat oberste Priorität, ihm müssen wir den Schulbetrieb unterordnen.“

Je länger der Lockdown dauert, umso mehr stellt sich für Eltern die Frage, ob in diesem Schuljahr ausreichend Lernstoff vermittelt wird. Dreher geht davon aus, dass das Wesentliche vermittelt wird. „Allerdings wissen wir aktuell nicht sicher, in welcher Tiefe dies möglich ist und ob uns dies bei allen Schülern gelingt. Dazu fehlen uns sowohl die Erfahrungen als auch die Instrumente, den Lernerfolg sicher zu erfassen.“ Es werde eine zentrale Aufgabe nach dem Wiederanlaufen des Präsenzunterrichts sein, festzustellen, welchen Stand die Schüler haben. Dreher plädiert für unbenotete Leistungstests als Diagnoseinstrument, wie er es nennt, um das Leistungsniveau jedes einzelnen Schülers festzustellen. „Darauf aufbauend sollte es gezielt Feriencrashkurse geben, in denen die Defizite aufgearbeitet werden“, schlägt der Schulleiter vor.

Eltern sind zufrieden

Torsten Reeb ist Vater eines Schülers der 5 B. Da er in Kurzarbeit und viel zu Hause ist, kann er seine Kinder unterstützen und antreiben. „Alleine am Schreibtisch zu sitzen, das ist was anderes als in der Schule. Da braucht man schon einen Motivationstrainer“, sagt Reeb. „Sonst kommt der Schlendrian.“ Der Schulstoff werde gut vermittelt. Fehlen würden aber der Sportunterricht und die Klassenkameraden. Als Familie würden sie die Situation gut hinbekommen: „Wir lieben uns noch“, sagt Reeb und lacht.

Nina Lukenda hat ebenfalls einen Sohn in der 5 B. „Ich kann nur Positives berichten“, sagt sie über den Fernunterricht. Bei technischen Problemen wüssten sich die Schüler gut zu helfen und kontaktierten sich über ihre Chats. Doch der persönliche Kontakt fehle, „das merkt man an den Launen“. Ihr Rat an alle Eltern: „Mut zur Lücke! Man sollte die Kinder nicht quälen bis zum Geht-nicht-mehr. Wenn sie etwas verstanden haben, kann man das dritte Arbeitsblatt dazu auch mal weglassen.“