Jahrelang vernachlässigte Investitionen in die Infrastruktur rächen sich für die Deutsche Bahn. Viele Passagiere steigen auf Fernbusse um. Die Bahn spricht von Gewinneinbußen in Höhe von 120 Millionen Euro.
Berlin - Die 255 ICE-Züge sind der Stolz der Deutschen Bahn. Leider ist die Fahrt mit bis zu 300 Kilometer pro Stunde in einem ICE nur dann ein tolles Erlebnis, wenn alles funktioniert. Das ist all zu oft nicht der Fall – wie Ende Januar im ICE 374 von Stuttgart nach Wolfsburg. Dort funktionierte weder der Internetzugang noch kam der Zug pünktlich an. Zu lange hat die Bahn Investitionen in die Infrastruktur vernachlässigt, wovon Anbieter von Fernbusreisen profitieren.
DB-Chef Rüdiger Grube wirbt zwar gerne damit, dass fast alle Züge mit einem raschen und preisgünstigen Zugang ins Internet per Wlan ausgestattet sind. Doch der Tages-Internetpass für knapp fünf Euro garantiert keinen zuverlässigen Netzzuggang. Wer Probleme hat, kann sich unter einer kostenlosen Rufnummer (08 00-3 50 20 00) beschweren und sein Geld zurückverlangen. Im Zug hilft das aber kaum weiter.
Technische Mängel machen der Bahn zu schaffen
Wären die Verbindungen im Fernverkehr zuverlässig pünktlich, könnte mancher Bahnkunde solche Ausfälle besser verschmerzen. Im Januar schafften es jedoch nur 81 Prozent der Fernzüge mit weniger als sechs Minuten Verspätung ans Ziel. 2014 erreichten nur 76,5 Prozent der Fernzüge diese Vorgabe, im Jahr zuvor nicht einmal 74 Prozent. Häufig bremsen Mängel im Bahnnetz oder an den Fahrzeugen den Zugverkehr aus. Einer internen DB-Statistik zufolge, die dieser Zeitung vorliegt, fielen allein am 26. Januar fünf ICE-Züge ganz aus, bei 35 Zügen fehlten komplette Wagen, bei 31 Zügen funktionierte die Sitzplatzreservierung nicht und in 19 Zügen war das WC für Rollstuhlfahrer defekt.
Zu der langen Ausfall- und Problemliste sei es an diesem Tag wohl durch „eine Häufung unglücklicher Umstände“ gekommen, heißt es bei der DB auf Anfrage. So seien in der fraglichen Zeit 30 Reisezugwagen beim Wintereinsatz in Österreich beschädigt worden und zwei Wochen nicht verfügbar gewesen. Ohnehin seien immer zwischen 30 und 55 Züge der ICE-Flotte in Reparatur und Wartung.
Viele ICE-Züge sind veraltet
Für den Bahn-Sprecher der Grünen im Bundestag, Matthias Gastel, zeigt die Mängelliste die Probleme im DB-Fernverkehr: „Es fehlen Reservezüge, es hapert an der schnellen Reparatur und die große Linie bleibt unklar.“ Tatsächlich hat die Bahn die Modernisierung ihrer Flotte viel zu spät in Angriff genommen. Viele Intercity-Züge sind älter als 40 Jahre und technisch nicht auf dem neuesten Stand. Als der Staatskonzern unter dem früheren Vorstandschef Hartmut Mehdorn an die Börse wollte, wurden teure Investitionen fahrlässig zurückgestellt.
Erst 2008 bestellte die Bahn neue ICE 3. Lieferant Siemens konnte wegen massiver Technikprobleme und mangels Zulassung die dringend benötigten 17 Züge aber erst voriges Jahr liefern. Verschärft hat die Misere noch, dass wegen gefährlicher Achsenprobleme die Hälfte der ICE-Flotte bis zu zwölf Mal häufiger in die Werkstatt muss.
Frühestens 2017 wird sich die Lage entspannen. Dann sollen die ersten von 130 bestellten Zügen des ICX von Siemens geliefert werden und zunächst die betagte IC-Flotte und danach die ICE ersetzen. Die Finanzierung dieser Investitionen wird wegen der Ertragskrise des Staatskonzerns aber nun zum ernsten Problem. Allein voriges Jahr hat die Bahn laut Grube wegen der Fernbusse rund 120 Millionen Euro weniger Gewinn gemacht, Umsatz und Ertrag des Konzerns stagnieren. Die Bahn muss die Kosten für den Fernverkehr aber aus eigener Kraft stemmen, anders als im Regionalverkehr erhält sie dafür keine Subventionen. Den Siemens-Auftrag soll die DB bereits gekürzt haben. Im März will Grube ein neues Konzept für den Fernverkehr auf der Schiene vorlegen.
Züge müssen in großem Stil gewartet werden
Mängel:
Durch die Entgleisung eines ICE im Kölner Hauptbahnhof wurde 2008 deutlich, dass die Achsen vieler Züge mangelhaft sind. Sowohl die Radwellen der 67 ICE-3-Züge als auch der 70 ICE-T-Neigetechnikzüge müssen ersetzt werden, weil die Gefahr von Rissen und Brüchen besteht. Dieser Austausch, einst für Ende 2012 angekündigt, ist derzeit für den Frühsommer dieses Jahres vorgesehen.
Kosten:
Über die Kosten des teuren Austauschs und Schadenersatz hat die Bahn mit der Industrie – darunter Siemens, Alstom und Bombardier – lange gestritten. Erst nach langem Hin und Her erklärten sich die Hersteller zu einem Ausgleich bereit.