Sebastian Vettel will erstmals in einem Ferrari in Monza gewinnen. Das Rennen in Spa hat gezeigt, dass der Heppenheimer durchaus gute Chancen besitzt.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Monza - Motorsport ist nicht jedermanns Sache. Deshalb taucht immer mal wieder die Frage auf: Wo liegt eigentlich Monza? 15 Kilometer nördlich von Mailand, im zersiedelten Gebiet zwischen der wirtschaftlich starken Metropole und dem traumhaften Como, lautet die Antwort. Darunter können sich Zeitgenossen, die Monza bestenfalls mit dem inzwischen zum Oldtimer gereiften Oberklasse-Coupé von Opel in Verbindung bringen, durchaus etwas vorstellen.

 

Dabei ist dieses Formel-1-Rennen im Norden Italiens doch so wichtig – und das Autodromo Nazionale di Monza ein magischer Ort. Im „Tempel des Speeds“ zu gewinnen ist schön – doch wenn der Erfolg in einem Ferrari gelingt, wird ein Traum wahr. Monza, Ort der Sehnsüchte, Ort der Emotionen: fünfmal versetzte Michael Schumacher die italienischen Fans in einen Zustand höchsten Glücks, weil er in Monza im roten Renner schneller war als alle anderen. Als er auf dem Podest dann auch noch damit anfing, beim Abspielen der italienischen Nationalhymne stilsicher den Dirigenten zu geben, brannte die Hütte. „Noi ti amiamo, Michele”, sangen die Fans. Wir lieben dich, Michael.

Italien wartet noch auf Vettel-Sieg in Monza

Auch Sebastian Vettel mögen die Italiener, aber auf das ganz große Ding wartet sie noch, die Ferrari-verrückte Nation. Im roten Auto gewann der Hesse in Monza noch nie. Sein einziger Erfolg auf dem Hochgeschwindigkeitskurs datiert aus dem Jahr 2008. Dieser völlig verrückte Überraschungssieg, der dem damaligen Greenhorn im unterlegenen Toro Rosso glückte, war an sich schon eine Sensation. Aber eben kein Ferrari-Sieg im königlichen Park – und damit für italienische Formel-1-Chronisten nichts weiter als eine erbärmliche Randnotiz.

Damit soll jetzt Schluss sein – endlich, Italien wittert seine Chance. Drei vergebliche Anläufe unternahm Vettel, musste aber die Waffen strecken, weil das Mercedes-Aggregat auf der Speed-Piste jahrelang abging wie die Hölle. Nun ist es anders, und ein ganzes Land hofft. Der Sieg der Scuderia zuletzt in Spa, wo es ebenso aufs Tempo ankommt, nährt die Hoffnung bei den Italienern, dass Vettel die rote Kiste auf Platz eins stellt. Und dirigiert wie Schumi.

„Mit Ferrari in Monza zu fahren – das ist unvergleichlich“

Der Rennfahrer selbst sieht ebenso die Zeit gekommen und bezeichnet seine Chancen als aussichtsreich, denn die für das Aggregat zuständigen Mercedes-Ingenieure wurden offenbar genauso spielerisch überholt, wie Vettel in Spa an Lewis Hamilton vorbeigezischt war. „Das macht Maranello und jeden in unserer Motorenabteilung glücklich”, sagt Vettel und referiert über die Besonderheit seines Auftritts am Sonntag (15.10 Uhr/RTL). „Mit Ferrari in Monza zu fahren – das ist unvergleichlich. Das ist für uns ein ganz besonderes Wochenende, und das geht auch an mir nicht spurlos vorbei, selbst wenn ich Deutscher bin”, sagt der Pilot, der dem roten Glück mit dem Sieg das I-Tüpelchen aufsetzen will. „Wir haben gezeigt, dass unser Auto stärker ist”, stellt derweil Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene mit seiner rauen Cowboy-Stimme fest. Er spürt, dass der Erfolg zurückkehren könnte. Im Jahr 2010 siegte letztmals ein Ferrari in Monza. Am Steuer saß Fernando Alonso.

Monza – es klingt wie Musik in den Ohren der Fans. In Monza aufzuschlagen bedeutet, an einen heiligen Ort der Rennsport-Geschichte zu pilgern. „Das Rennen ist auch wichtig für das Team, weil von vielen Mitgliedern die ganzen Familien da sind“, sagt Vettel. Zum lombardischen Renn-Mythos gehören aber nicht nur Schumachers Ausflüge in die Welt des Kapellmeisters, auch Tragödien spielten sich ab. So kamen Wolfgang Graf Berghe von Trips (1961) und Jochen Rindt (1970) vor der Parabolica-Kurve ums Leben – auch solche Geschichten haben Monza geprägt.

Der Bolide des Deutschen von Trips hatte dabei noch 15 Zuschauer mit in den Tod gerissen. Ein Familienmitglied erzählte mal, dass der Rennfahrer dieses Unglück nie verkraftet hätte, wäre er am Leben geblieben. Der Österreicher Rindt ist indes der einzige Posthum-Weltmeister der Formel 1, sie legten ihm den Siegerkranz ans Grab. Überdies verunglückten die Italiener Alberto Ascari und der Schwede Ronnie Peterson tödlich – wie viele andere Piloten und Zuschauer auch. 22 tote Besucher gab es 1928 beim Crash von Emilio Materassi.

Wegen der hohen Durchschnitts-Geschwindigkeiten von fast 260 Stundenkilometern ist Monza nach wie vor extrem gefährlich – für Italien aber ein Muss. Vettel spürt es.