Viel Lob und einige Versprechungen: Das Junge Ensemble Stuttgart feiert seinen zehnten Geburtstag. Die Kehrseite des Erfolgs: Langsam aber sicher platzt das Theater aus allen Nähten.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Wenn auf der Bühne jemand erschossen wird, sich übergibt oder ihm ein Finger abgerissen wird, kann es einem im Publikum schon mulmig werden. Dabei ist das doch nur der Moment, wo die Requisite ganz groß herauskommt: Schaut es wie echtes Blut aus? Ist der abgerissene Finger auch schön schaurig? Im Jungen Ensemble Stuttgart (Jes) kann man nun ausnahmsweise das sehen, was Zuschauer eigentlich nicht zu sehen bekommen sollen: die kleinen wie raffinierten Tricksereien und Erfindungen der Requisite. Am Samstag hat das Jes unterm Tagblattturm seinen zehnten Geburtstag gefeiert – nicht nur mit Reden und Torte, sondern auch mit einer Ausstellungseröffnung: „Der Requisitenfriedhof“. Auf ihm wird das versammelt, was es nicht auf die Bühne geschafft hat – Seifenblasenmaschine und Theaterpistole, künstliche Bratwürste, abgerissene Finger und jede Menge Theaterblut, ordentlich verpackt in handliche Tütchen.

 

Eine hübsche Idee, die zum Jes passt: eine kleine Ausstellung, bei der Weinkisten als Vitrinen fungieren – einfach, aber durchaus originell. Auch dies ein Beweis, dass das Kinder- und Jugendtheater zu Recht sich und sein zehnjähriges Bestehen feiert. Viele Zuschauer, Kollegen anderer Theater, aber auch Landtagsabgeordnete und Gemeinderatsmitglieder kamen in das Theater, um zu demonstrieren, wie wichtig ihnen das Jes ist. „Super, dass es damals gegründet wurde“, sagte der Oberbürgermeister Fritz Kuhn in seiner handfesten Ansprache. Es habe sich „als kluge Personalentscheidung erwiesen“, die „Motivationskünstlerin“ Brigitte Dethier als Intendantin zu engagieren.

Das Theater hat Kapazitätsgrenzen erreicht

Auch Jürgen Walter, Staatssekretär im Kunstministerium, ist begeistert. Er habe in seiner Kindheit noch mit der Oma „Der gestiefelte Kater“ angeschaut. Das Jes aber habe das Kinder- und Jugendtheater aus der „Verniedlichung herausgeholt“, eine eigene Ästhetik entwickelt – und einen „Quantensprung“ gemacht. „Kein Kasperle mehr, keine Verharmlosung mehr, sondern Themen, die relevant sind“, sagte Walter.

Viel Lob also für Brigitte Dethier und ihr Team, für die Auszeichnungen und Preise und das rege Publikumsinteresse. Die Kehrseite des Erfolgs: Das Theater hat seine Kapazitätsgrenzen erreicht, wie Dethier ausführte. „Wir sind in einer Wachstumskrise“, sagte sie, der Teenager Jes brauche nun „Entfaltungsmöglichkeiten“. Sie hoffe, dass sie nach diesen zehn erfolgreichen Jahren endlich eine Etaterhöhung bekomme. Zusagen könne er freilich nichts, meinte da Oberbürgermeister Kuhn, schließlich entscheide der Gemeinderat über den nächsten Doppelhaushalt. Er ist aber zuversichtlich: „Es könnte mehr werden“. Schließlich profitierten nicht nur Kinder und Jugendliche vom Jes, sondern auch die Eltern – „weil sie mitgehen oder mal a Ruh’ haben“, wie er sagte. Deshalb steht für den OB außer Frage, dass es im Jes „so toll weitergehen“ soll.