Das ist ein bisschen schade für ein Neue-Musik-Festival, wurde aber jenseits des Performativen zumindest von einigen Werken wettgemacht. Dabei legten die neuen Konzertstücke in diesem Jahr (wohl eher zufällig) einen Schwerpunkt auf den Umgang mit der musikalischen Vergangenheit – formal, ästhetisch, stilistisch, ja gelegentlich auch durch direkte Zitate. Am traditionellsten wirkte dabei ein Stück jener Musikrichtung, zu deren ausdrücklichem Programm die Entfernung von außermusikalischen Einflüssen gehört: Tristan Murails „Portulan“ zählt zur so genannten Spektralmusik, die auf der Basis von Obertonspektren stark klangfarblich konzipiert wird; das vom Ensemble L’Itinéraire gespielte achtteilige Werk bietet in unterschiedlicher Instrumentalbesetzung so etwas wie ein musikalisches Pendant zur Neuen Leipziger Schule – mit viel Farbe, großen Gesten und einer durchaus gegenständlichen, direkten Bildhaftigkeit. Hinzu kommt viel gutes Handwerk und ein Bekenntnis zu ungestörter Schönheit, für das der Komponist auch Buhrufe aus dem Publikum in Kauf nehmen musste.

 

Zu den besonderen Werken unter den vielen, die bei Eclat zur Uraufführung gelangten, zählte Rebecca Saunders‘ „Unbreathed“ für Streichquartett (Quatuor Diotima), das man als Studie über das Paradoxon einer in sich stabilen Instabilität hören kann: In kleinem Tonraum werden Töne und Materialzellen umkreist und gleichsam in unterschiedlichen Aggregatzuständen präsentiert, da wird getrillert und auf- wie abwärts geglitten; das Stück ist sehr präzise gearbeitet, seine Idee ist sofort da und teilt sich mit.

Klaus Mahnkopfs „voiced void“ krankt an übermäßiger Komplexität

Mit zwei sehr schönen Werken von Johannes Boris Borowski („As if“, gespickt mit virtuos verdeckten Anspielungen auf bekanntes Material bis hin zu Gershwins berühmtem Klarinetten-Glissando) und Sara Glojnaric („Sugarcoating #2“, ein subtiles Stück über das Spannungsverhältnis zwischen live Gespieltem und elektronisch Reproduziertem) stellte sich das glänzend aufeinander eingespielte Trio Catch vor. Reizvolle Interaktionen und Konfrontationen zwischen Bläsern und Sängern fächerten das Calefax Reed Quintet und die Neuen Vocalsolisten vor allem in Steffen Krebbers „Mediated mixes“ vor – und bei Fabio Nieder, der in „Eine alpenländische Volksweise“ auf melancholisch-bedeckte Weise eine vergessene Musik aus windisch Kärnten gleichzeitig wiederbelebt und zu Grabe trägt.

Ein bisschen traurig stimmte schließlich auch die Uraufführung von Klaus-Steffen Mahnkopfs ebenso monumentalem wie hoch komplexem Chorwerk „voiced void“. Die gesungenen althebräischen Texte, die man gerne etwas im Programmheft gelesen hätte, behandeln den Messianismus der jüdischen Kultur; die Überfülle an Informationen auch in der Musik hat Rupert Huber am Pult des immer wieder solistisch und in wechselnde Aktionsgruppen aufgegliederten SWR-Vokalensembles immerhin so kanalisiert, dass sich zwischen Flüstern und ätherischen Sopranhöhen Momente großer Klangsinnlichkeit einstellen. Insgesamt jedoch ist das Stück, an dem der Chor ganze vier Wochen (!) geprobt hat, ein riesiges Luxusproblem: hochinteressant in der Anlage, aber, weil sich das Ergebnis nicht wirklich durchdringen lässt, in der Wirkung diffus und amorph.

Beifall gab’s dennoch, vor allem für Sänger und Dirigent. Im Gegensatz zur Performance Johannes Kreidlers. Der nämlich hatte sich Applaus verbeten – und als sich einer im Publikum klatschend das Verbot verbat, war das wie ein Buhruf. Nachdem Kreidler dies auf Facebook gepostet hatte, kommentierte eine Komponistin „Ich dachte, die Leute klatschen immer, egal welchen Scheiß sie hören.“ Verrückte neue Musikwelt!

Unter den Performances gab es schließlich auch noch eine kleine, zarte. Die Cellistin Séverine Ballon wechselt in „Distanz“ von Marianthi Papalexandri-Alexandri die Art und die Orte der Tonerzeugung: Mal streicht sie ihr eigenes Instrument, mal auf Schnüre, die den Steg des Cellos mit Klangmembranen im Raum verbinden; mal verbindet sie ihren Bogen mit Zugmaschinen, die ihr den Auf- und Abstrich abnehmen. Das Stück berührt viele Themen, die im Programmheft nur angedeutet werden; zwischen den Aktionen ist viel poetische Stille, und zu hören ist: Klang, Geräusch, Musik. Darüber freut man sich auch deshalb, weil diese in den Performances sonst nur eine ziemlich untergeordnete Rolle spielte.

In den reinen Konzertstücken dominiert die Retrospektive

Das ist ein bisschen schade für ein Neue-Musik-Festival, wurde aber jenseits des Performativen zumindest von einigen Werken wettgemacht. Dabei legten die neuen Konzertstücke in diesem Jahr (wohl eher zufällig) einen Schwerpunkt auf den Umgang mit der musikalischen Vergangenheit – formal, ästhetisch, stilistisch, ja gelegentlich auch durch direkte Zitate. Am traditionellsten wirkte dabei ein Stück jener Musikrichtung, zu deren ausdrücklichem Programm die Entfernung von außermusikalischen Einflüssen gehört: Tristan Murails „Portulan“ zählt zur so genannten Spektralmusik, die auf der Basis von Obertonspektren stark klangfarblich konzipiert wird; das vom Ensemble L’Itinéraire gespielte achtteilige Werk bietet in unterschiedlicher Instrumentalbesetzung so etwas wie ein musikalisches Pendant zur Neuen Leipziger Schule – mit viel Farbe, großen Gesten und einer durchaus gegenständlichen, direkten Bildhaftigkeit. Hinzu kommt viel gutes Handwerk und ein Bekenntnis zu ungestörter Schönheit, für das der Komponist auch Buhrufe aus dem Publikum in Kauf nehmen musste.

Zu den besonderen Werken unter den vielen, die bei Eclat zur Uraufführung gelangten, zählte Rebecca Saunders‘ „Unbreathed“ für Streichquartett (Quatuor Diotima), das man als Studie über das Paradoxon einer in sich stabilen Instabilität hören kann: In kleinem Tonraum werden Töne und Materialzellen umkreist und gleichsam in unterschiedlichen Aggregatzuständen präsentiert, da wird getrillert und auf- wie abwärts geglitten; das Stück ist sehr präzise gearbeitet, seine Idee ist sofort da und teilt sich mit.

Klaus Mahnkopfs „voiced void“ krankt an übermäßiger Komplexität

Mit zwei sehr schönen Werken von Johannes Boris Borowski („As if“, gespickt mit virtuos verdeckten Anspielungen auf bekanntes Material bis hin zu Gershwins berühmtem Klarinetten-Glissando) und Sara Glojnaric („Sugarcoating #2“, ein subtiles Stück über das Spannungsverhältnis zwischen live Gespieltem und elektronisch Reproduziertem) stellte sich das glänzend aufeinander eingespielte Trio Catch vor. Reizvolle Interaktionen und Konfrontationen zwischen Bläsern und Sängern fächerten das Calefax Reed Quintet und die Neuen Vocalsolisten vor allem in Steffen Krebbers „Mediated mixes“ vor – und bei Fabio Nieder, der in „Eine alpenländische Volksweise“ auf melancholisch-bedeckte Weise eine vergessene Musik aus windisch Kärnten gleichzeitig wiederbelebt und zu Grabe trägt.

Ein bisschen traurig stimmte schließlich auch die Uraufführung von Klaus-Steffen Mahnkopfs ebenso monumentalem wie hoch komplexem Chorwerk „voiced void“. Die gesungenen althebräischen Texte, die man gerne etwas im Programmheft gelesen hätte, behandeln den Messianismus der jüdischen Kultur; die Überfülle an Informationen auch in der Musik hat Rupert Huber am Pult des immer wieder solistisch und in wechselnde Aktionsgruppen aufgegliederten SWR-Vokalensembles immerhin so kanalisiert, dass sich zwischen Flüstern und ätherischen Sopranhöhen Momente großer Klangsinnlichkeit einstellen. Insgesamt jedoch ist das Stück, an dem der Chor ganze vier Wochen (!) geprobt hat, ein riesiges Luxusproblem: hochinteressant in der Anlage, aber, weil sich das Ergebnis nicht wirklich durchdringen lässt, in der Wirkung diffus und amorph.

Beifall gab’s dennoch, vor allem für Sänger und Dirigent. Im Gegensatz zur Performance Johannes Kreidlers. Der nämlich hatte sich Applaus verbeten – und als sich einer im Publikum klatschend das Verbot verbat, war das wie ein Buhruf. Nachdem Kreidler dies auf Facebook gepostet hatte, kommentierte eine Komponistin „Ich dachte, die Leute klatschen immer, egal welchen Scheiß sie hören.“ Verrückte neue Musikwelt!