Einige Highlights des letzten Maifeld Derbys: die Auftritte von Big Special, Franz Ferdinand und Zaho de Sagazan (von links oben im Uhrzeigersinn) Foto: Maifeld Derby Festival/Florian Trykowski
Das Maifeld Derby verabschiedet sich mit tollen Shows von Franz Ferdinand oder Zaho de Sagazan aus Mannheim und lässt Fans anspruchsvoller Popmusik wehmütig allein: ein Rückblick.
Wenn der knuffige Indiepop von Kraftklub auf die Elektro-Chansons von Zaho de Sagazan, die Postrock-Grandezza von The Notwist auf den Zicke-Zacke-New-Wave von Franz Ferdinand trifft; wenn Porridge Radio ein zartbitter-herbes Abschiedkonzert geben und Drangsal fragt „Habt Ihr Lust auf ein bisschen Disco?“; wenn Menschen in „Danke Timo!“-T-Shirts zu den Songs von Zimmer90 oder DJ Koze über das Festivalgelände tanzen; und wenn beim Konzert von Konstantin Gropper der Aushilfsbassist den größten Applaus bekommt, dann muss das das Maifeld Derby sein. Am Wochenende hat auf dem Mannheimer Maimarktgelände zum letzten Mal dieses Musikfestival des guten Geschmacks stattgefunden.
Timo Kumpf: Herz und Seele des Maifeld Derbys
Dafür, dass das Line-up der 14. Auflage des Maifeld Derbys ein Fest für Menschen mit gutem Musikgeschmack ist, ist der Veranstalter Timo Kumpf verantwortlich – richtig, der Timo, dem auf den T-Shirts gedankt wird. Und er ist auch derjenige, der als Bassist umjubelt mit seinem altem Kumpel Konstantin Gropper auftritt, den er seit dem Studium an der Mannheimer Popakademie kennt und mit dem er einst bei Get Well Soon gespielt hat.
Maifeld-Derby-Veranstalter Timo Kumpf (rechts) als Bassist von Konstantin Gropper Foto: Maifeld Derby Festival/Florian Trykowski
Dafür, dass dieses Festival – zumindest vorläufig – zum letzten Mal stattfindet, ist dagegen die Stadt Mannheim verantwortlich. Die ist zwar stolz darauf, dass sie sich mit dem Titel Unesco City of Music schmücken darf, hält aber ein Event für anspruchsvolle Popkultur nicht für so wichtig, dass sie bereit ist, es mit einem Betrag zu fördern, der nur einen Bruchteil der Mehrkosten darstellt, die etwa für die Sanierung des Mannheimer Nationaltheaters zu Verfügung gestellt werden.
Beim Finale treten an drei Tagen auf vier Bühnen rund 60 Acts auf. Selbst eine Unwetterwarnung, die am Samstagnachmittag alle dazu zwingt, für einige Stunden im großen Zelt auf dem Maimarkt-Gelände auszuharren, bringt die Veranstalter nicht aus dem Konzept und verdirbt dem Publikum nicht die Stimmung. Und wie sehr dieses Festival künftig nicht nur Mannheim, sondern allen fehlen wird, die nichts für mit Testosteron und Autotune vollgepumpten Deutschrap oder weichgespülte Mainstream-Pop-Konfektionsware übrig haben, macht diese letzte Ausgabe des Maifeld Derbys deutlich, bei der Timo Kumpf den Rekord von 15.000 Besucherinnen und Besuchern verzeichnen wird.
Zaho de Sagazan: Frankreichs neuer Superstar begeistert in Mannheim
Da ist etwa der Auftritt der großartigen Zaho de Sagazan am Freitagabend. So schön, so intensiv, so verstörend-betörend wie Frankreichs neuer Superstar singt derzeit kaum jemand von der Liebe und den Abgründen, die sich für all jene auftun, die bereit sind ihre Herzen für einen anderen Menschen zu öffnen. Die 25-Jährige hat das Chanson davor gerettet, nur noch als Relikt für nostalgische Babyboomer zu taugen, indem sie ihm elektronische Beats beigebracht hat. Mal klingt sie fast traditionell wie in ihrem Hit „La symphonie des éclairs“, mal wird das Mannheimer Palastzelt zum riesigen Technoclub, wenn sie „Hab Sex“ oder „Dansez“ spielt.
Ebenfalls ein Ereignis auf der Bühne im Palastzelt, der größten der vier Bühnen beim Maifeld Derby, ist der Auftritt von Franz Ferdinand am Samstagabend. Die Band hat zwar schon vor 21 Jahren nicht nur ihr erstes, sondern auch ihr bestes Album veröffentlicht. Wer Franz Ferdinand aber damals im Jahr 2004 beim Auftritt auf dem Southside Festival erlebt hat und diesen mit der Show jetzt in Mannheim vergleicht, merkt wie viel besser die Schotten geworden sind, wie viel knackiger Songs wie „The Dark of the Matinée“ oder „Take Me Out“ heute klingen. Und wer sich früher noch darüber wunderte, warum die Band oft mit Roxy Music verglichen wurde, versteht das endlich – auch weil Sänger Alex Kapranos mehr und mehr wie Bryan Ferry aussieht.
Vielfältige Musik-Highlights: Entdeckungen beim Maifeld Derby
Das Maifeld Derby hat aber nicht nur bereits große Acts zu bieten – neben Franz Ferdinand und Zaho de Sagazan zählen zu den Headlinern DJ Koze, Kraftklub, The Notwist, Olli Schulz oder Bilderbuch –, sondern auch großartige Entdeckungen. Zum Beispiel Big Special, die am Freitag auf der Bühne der Freiluft-Arena auftreten. Sänger Joe Hicklin und Schlagzeuger Callum Moloney, die aus Birmingham stammen, stehen mit ihrem wütenden Elektropunk in der Tradition von The Streets und den Sleaford Mods und klagen in Songs wie „Shithouse“ über den Albtraum des Rechtsextremismus, der auch in Großbritannien immer schlimmer wird.
Ähnlich wuchtig, direkt und politisch engagiert erweist sich die Show von Salò aus Graz am Samstag – ebenfalls in der Arena. Mit seiner Band spielt sich der Mann, der eigentlich Andreas Binder heißt. wunderbar grantelnd mit Songs wie „Ich glaube nicht an Dinosaurier“ oder „Universal Punks Fuck Off“ durch ein wild zwischen Punkrock und Neuer Neuer Deutscher Welle hin und her hüpfendes Programm
Nostalgischer Blick zurück auf 14 Maifeld Derbys
Wo man Acts wie Big Special und Salò, aber auch Kate Bollinger oder Antony Szmierek künftig entdecken soll, wenn es ein Festival wie das Maifeld Derby nicht mehr gibt, ist ungewiss. Und wenn man auf dem Weg zum Festivalgelände an all den Bannern der vorherigen Ausgaben vorbeikommt, wird man zusätzlich sentimental. Da stehen dann Namen wie James Blake, Future Islands, Archive, Eels, The National, Hozier, Cigarettes After Sex und viele, viele mehr.
Kraftklub beim Auftritt beim Maifeld Derby Foto: Maifeld Derby Festival/Florian Trykowski
Und auch zahlreiche Bands nutzen beim Maifeld-Derby-Finale ihren Auftritt als Gelegenheit, sich bei Timo Kumpf für dieses Festival zu bedanken. Etwa Felix Kummer, der Sänger von Kraftklub, der daran erinnert, dass seine Band auch mal versucht hat, ein Festival zu organisieren. „Das war nur nicht ganz so tasty wie das Maifeld Derby“, sagt er, „weil wir einen viel schlechteren Musikgeschmack haben als Timo.“