Das am Samstag stattfindende Popnotpop ist das derzeit spannendste Club-Festival der Stadt. In fünf Clubs treten neun Bands und elf DJs auf, die die komplette Bandbreite des Pop abdecken von elektronisch über alternativ bis Rock.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Skandal an der Plakatwand. Eben erst hatte Hannes Steim ein Poster seines Clubfestivals Popnotpop an das Schwarze Brett der Clubkultur am Hans-im-Glück-Brunnen geheftet. Kurz danach überklebt ein anderer Veranstalter die hübsche Grafik mit einem Werbehinweis im Überformat – in eigener Sache. „So geht es aber nicht, Freundchen!“, stellt Steim den Wildplakatierer zur Rede.

 

Die in ehrlicher Handarbeit platzierte Werbebotschaft für Stuttgarts derzeit bestes Clubfestival schamlos zu überkleben, grenzt tatsächlich an Majestätsbeleidigung. Steim hat es gemeinsam mit seinem Mitstreiter Andreas „Pese“ Puscher geschafft, eine Lücke der Indie-Nahversorgung in Stuttgart zu schließen. Bereits zum dritten Mal veranstalten die beiden Mittdreißiger am Samstag das Popnotpop-Festival, bei dem in fünf Clubs gleichzeitig Genregrenzen ausgehebelt werden. „Wir wollen ein Publikum ansprechen, mit dem wir uns auch persönlich wohlfühlen.“, sagt Hannes Steim. Der Festivalbesucher schlägt dabei gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen lernt er einige der spannendsten Clubs dieser Stadt kennen, zum anderen kommt er in den Genuss von Künstlern, die man nicht mehr lange in solch einem kuscheligen Rahmen wird bewundern können.

Denn Steim und Puscher sind zwei Trüffelschweine der Popkultur, die das Stuttgarter Publikum missionieren wollen, ohne dabei zu dogmatisch zu werden. „Die Bands, die wir selber gern hören, machen oft einen Bogen um Stuttgart“, erklärt Puscher. Dieses Phänomen ist häufig bei unbekannteren Bands zu bewundern, die sich in ihrem Genre bereits einen Status erspielt haben, es aber – zum Glück – nie bis zu den großen Radiosendern bringen werden. In Fankreisen wird diese Beobachtung scherzhaft das München-Köln-Berlin-Hamburg-Syndrom genannt, da vielgehypte Bands oft nur in diesen Städten spielen.

Musikalische Fortbildung das ganze Jahr über

Steim und Puscher gehören zu den Stuttgarter Konzertveranstaltern, die wie das Schocken, die Manufaktur oder auch die großen Konzertagenten wie Music Circus oder Russ etwas gegen diese musikalische Dürre unternehmen. Sie sind so etwas wie die Nachwuchsabteilung der popmusikalischen Connaisseure, die sich in Stuttgart um spannende Live-Konzerte verdient machen. Die Gruppe FM Belfast spielte etwa bei der ersten Ausgabe des Popnotpop, kurz darauf waren die Isländer Dauergast auf den größten Festivals in Europa. Was man Puscher und Steim nicht hoch genug anrechnen kann: Die Mission der beiden beschränkt sich nicht auf einen Festivaltermin, der einmal im Jahr stattfindet. „Wir wollen nicht nur einmal im Jahr einen Aufschlag, sondern veranstalten unter dem Label Poponotpop mittlerweile das ganze Jahr über Konzerte“, so Puscher. Beide Herren gestalten die Subkultur Stuttgarts überdies schon länger mit. Hannes Steim ist ein unermüdlicher Schaffer, der seine Heimstadt in schwäbischer Beharrlichkeit mit Pop versorgt. Im kommenden Jahr feiert die von Steim ins Leben gerufene Reihe Yeah!-Club zehnjähriges Bestehen. Diese Partyserie war die erste in Stuttgart, die sich ganz den Indie- und Alternative-Klängen verschrieben hatte, zu einer Zeit, als entweder Techno oder Hip-Hop die Clubs der Stadt dominierte.

Puscher bringt Münchner Indie-Erfahrung mit

Andreas Puscher ist noch nicht ganz so lange in Stuttgart zugange. Puscher stammt aus dem Umfeld des Münchner Atomic Cafés, in dem auch Mehmet Scholl gerne mal bei einer Dosis Arcade Fire Abstand von Reinhold Beckmann sucht. Puscher arbeitet eigentlich als Musikmanager, derzeit etwa für die Münchner Rapperin Fiva, war früher lange mit der Kölner Band Klee unterwegs („Bis nach China“) oder begleitete Phillip Boa auf Tour.

Die beiden Macher des Popnotpop-Festivals sind eher ruhige Zeitgenossen. Während sich Steim das erste Feierabend-Bier gönnt, werden Anekdoten über Deutschpop-Bands der Nullerjahre ausgetauscht. Der 33-Jährige, einst als Musiker unter dem Künstlernamen Hannes Orange selbst kommerziell erfolgreich, und der 36-jährige Puscher ergänzen sich gut.

Nabelschau für die hiesige Szene

Beide sind Typen, die nicht permanent in den Vordergrund drängen. „Wir haben das Popnotpop auch als Nabelschau für die hiesige Szene eingerichtet, weil es in Stuttgart keine klassische Musikindustrie mit einer Einrichtung wie der Music Week gibt“, erklärt Steim, der an der Hochschule der Medien studiert hat. So arbeiten die beiden Veranstalter bei der neuerlichen Ausgabe ihres Festivals mit anderen Musikschaffenden zusammen, zum Beispiel mit den Machern des Stuttgart Electronic Music Festivals (SEMF), siehe auch nebenstehender Text.

Zum Schluss des Gesprächs wird das Festival-Plakat, das zuvor schnöde überklebt wurde, von Steim wieder ins rechte Licht gerückt. Wer dabei mithilft, Stuttgarts Ruf als weißen Fleck auf der Konzertlandkarte zu eliminieren, hat tatsächlich etwas Aufmerksamkeit verdient.