Die Vize-Präsidentin des Parlaments ist von der Polizei festgenommen worden. Das WM-Land Katar soll versucht haben, Entscheidungen zu beeinflussen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Das Europäische Parlament wird von einem der größten Korruptionsskandale seiner Geschichte erschüttert. Eva Kaili, eine der Vizepräsidentin, wird vorgeworfen, Geld aus Katar kassiert zu haben, damit sie für das WM-Gastgeberland Katar Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Sie wurde zusammen mit fünf anderen Verdächtigen festgenommen. Vier davon kamen am Sonntag per Haftbefehl in Untersuchungshaft - darunter nach Angaben der belgischen Zeitung „Le soir“ auch Kaili.

 

Zudem verliert die 44-jährige Griechin mit sofortiger Wirkung alle ihre Befugnisse, Pflichten und Aufgaben. Dies hat Parlamentspräsidentin Roberta Metsola angeordnet. Eine förmliche Absetzung Kailis kann nur das Parlament selbst beschließen.

Bestechung, Geldwäsche, Einflussnahme

Die belgischen Ermittler werfen der Politikerin Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchte Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar vor. Es besteht der Verdacht, dass das Land mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versucht haben soll, die Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Am Freitag gab es deswegen 16 Durchsuchungen und fünf Festnahmen - darunter war auch Eva Kaili.

Die Umstände der Festnahmen erscheinen wie eine zweitklassige Räuberpistole. Nach Informationen der belgischen Zeitung „L’Echo“ hatten die Ermittler den Vater Kailis auf frischer Tat ertappt, als dieser große Mengen Bargeld in einem Koffer wegschaffen wollte. Das nahmen die Beamten zum Anlass, auch die Wohnung der hochrangigen Politikerin zu durchsuchen, wo „mehrere Säcke voller Geldscheine“ gefunden worden seien. Laut Staatsanwaltschaft wurden bei den Durchsuchungen 600 000 Euro Bargeld und mehrere Handys beschlagnahmt.

Das Entsetzen im Parlament ist groß

Quer durch alle Parteien im Europaparlament ist das Entsetzen groß. Daniel Freund, der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, warnt, Korruption sei die größte Bedrohung der Demokratie. „Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden“, sagte der Grünen-Politiker. Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley äußerte sich irritiert und enttäuscht. Eigentlich habe das Europaparlament strenge Regeln für die Arbeit von Lobbyisten, strengere als die meisten nationalen Parlamente. „Aber wenn wirklich kriminelle Energie im Spiel ist, dann hilft eben auch kein Verhaltenskodex und keine Offenlegungspflicht. Dann kann man nur mit den Mitteln des Strafrechts ran“, sagte Barley, die neben Kaili eine von insgesamt 14 Vize-Präsidentinnen des Parlaments ist.

Die deutsche Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini erinnert auf Twitter an eine Rede von Eva Kaili im Parlament, in der diese die Fortschritte von Katar in Sachen Demokratie und Menschenrechte hervorhob. Am 22. November erklärte die Griechin, die Fußballweltmeisterschaft sei „ein konkreter Beweis dafür, wie Sportdiplomatie zu einer historischen Transformation eines Landes führen kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben“. Katar sei „führend bei den Arbeitsrechten“. Anna Cavazzini schreibt, dass sie damals „sehr überrascht“ über diese Aussagen gewesen sei.

Kaili wird aus der Partei ausgeschlossen

Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament (S&D) teilte am Samstag mit, dass Eva Kaili ausgeschlossen worden sei. Auch in Athen gab die sozialistische Partei Griechenlands (Pasok), deren Mitglied die festgenommene Parlamentsvizepräsidentin ist, bereits am Freitagabend bekannt, dass die Politikerin „aus der Partei ausgeschlossen“ worden sei.

Neben der griechischen Politikerin wurden im Zuge der Ermittlungen noch vier weitere Personen festgenommen. Darunter ist ein parlamentarischer Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, der zudem Lebensgefährte der 44-Jährigen Kaili ist. Zudem wurden der ehemalige sozialdemokratische Europaabgeordnete Pier Antonio Panzeri aus Italien, der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der Italiener Luca Visentini sowie der ebenfalls aus Italien stammende Chef einer Nichtregierungsorganisation verhaftet.