Abfälle gehören nicht in die Toilette. Und doch werden Dinge, die dort nicht hingehören, runtergespült. Wohin das führen kann, sieht man derzeit wieder in Großbritannien. Dort ist ein neuer monströser Fettberg entdeckt worden.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Sidmouth - Ein neuer monströser Fettberg ist in einer Kanalisation in Großbritannien entdeckt worden. Das 64 Meter lange Ungetüm verstopft einen Abwasserkanal in der Nähe der 12 500 Einwohner zählenden Küstenstadt Sidmouth in der südenglischen Grafschaft Devon. Es soll rund acht Wochen dauern, das steinharte Gebilde zu entfernen. Nach Angaben des zuständigen Wasserunternehmens South West Water handelt es sich um den größten Fettberg, der bislang in der Grafschaft gefunden wurde.

 

Er sei so lang wie sechs Doppeldeckerbusse hintereinander. Der bei dem Unternehmen für Abwasserangelegenheiten zuständige Direktor Andrew Roantree sagte britischen Medien, der Fund zeige, dass solche Fettberge nicht nur in den britischen Großstädten auftauchten, sondern auch in Küstenorten.

Legendärer Londoner Fettberg

Im Herbst 2017 war in London ein monströser Fettberg entdeckt worden, der die Kanalisation verstopfte. Er war 250 Meter lang, satte 130 Tonnen schwer und bestand hauptsächlich aus Windeln, Wischlappen, Kondomen und hartem Kochfett. Das Abtragen des Kolosses dauerte Wochen. Ein kleiner Rest wurde später in einem Museum ausgestellt.

Fettberge wie dieser sind das Ergebnis, wenn Verbraucher ihre Abfälle unachtsam die Toilette herunterspülen. Viele Briten entsorgen auch heißes Fett in der Kanalisation, das den Unrat dann zu einer steinharten Masse verklebt. Auch in Deutschland gibt es das Phänomen, allerdings nicht in dem Ausmaß wie in Großbritannien.

So werden Fettberge entsorgt

Was ist ein Fettberg? Der Begriff stammt vom englischen „Fatberg“ (in Anlehnung an „Iceberg“) und meint ein großen Klumpen von Fett, Damenbinden, Windeln, Fetttüchern, Nahrungs- und Gaststättenabfällen und anderen unappetitlichen Dingen in der Kanalisation, die nicht wie WC-Papier zu einem Brei zerfallen.

Fettberge in der Kanalisation müssen in mühevoller Handarbeit mit Schaufel, Hacke, Spaten und Hochdruckreinigern in transportable Klumpen zerkleinert werden. Spezialfahrzeuge der Kanalreinigung saugen die Klumpen dann mit Hilfe von Hochdruckpumpen und Spezialschläuchen aus dem Untergrund. Die Reste landen in den Lkw-Tanks. Obwohl die Kanalarbeiter rund um die Uhr schuften, wird die Fettabsaugung mindestens drei Wochen dauern.

Entsorgung in Spezialanlagen

Die Abfälle werden in speziellen Aufbereitungsanlagen wie im Londoner Stadtteil Beckton in einem langwierigen Verfahren recycelt und weiterverarbeitet. Die im „Fatberg“ enthaltenen Fette sind chemische Verbindungsprodukte (sogenannte Ester), die extrem schwierig aus Abwasser und Kanalrückständen herauszufiltern sind.

Dies geschieht mit Hilfe eines mehrstufigen Reinigungssystems in einem Klärwerk. Weil Fett leichter ist als Wasser, schwimmen die Rückstände auf der Oberfläche. Zuerst wird mittels eines überdimensionalen Rechens neben anderen Stoffen wie Windeln und Plastik größere Fettklumpen abgeschöpft. Danach wird der Brei in einem sogenanntem Ölsandfang gefiltert. Dank Luftzufuhr werden verbliebene Fettkügelchen abgetrennt.

Chemische Umwandlung der Abfälle

Biodiesel wird durch chemische Vorgänge aus pflanzlichen und tierischen Fetten und Ölen gewonnen. Diesen Vorgang nennt man Umesterung. Die Fette gehören zu einer Stoffgruppe chemischer Verbindungen des Glycerins, das in in allen natürlichen Fetten und fetten Ölen vorhanden ist.

Die Fette werden mit Methanol gemischt und in Reaktoren einige Stunden erhitzt. Der bei diesem chemischen Prozess entstandene Biodiesel und das Glycerin werden getrennt. Der Biodiesel wird von Laugen- und Methanolrückständen gereinigt und destilliert.

Während das Glycerin zu Seife, Kosmetika und Reinigungsmittlen weiterverarbeitet wird, dient der Biodiesel als Kraftstoff für Autos oder wird im Kraftwerk in Beckton zur Strom- und Wärmeerzeugung verwendet.