In der Backnanger Moschee sind die Brandopfer verabschiedet worden. Der türkische Vizepremier Bekir Bozdak fordert eine rückhaltlose Aufklärung. In ihrer Heimat sollen die Leichen noch einmal obduziert werden.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Backnang - Mehrere hundert Menschen haben am Dienstag in Backnang Abschied von der türkischen Großfamilie genommen, die bei dem verheerenden Brand eines Wohn- und Geschäftshauses in der Nacht auf Sonntag ums Leben gekommen war. Im Anschluss an das anderthalbstündige Totengebet wurden die sieben Kinder und ihre Mutter in ihr Heimatland überführt. Dort wollen die türkischen Behörden die Leichname vor der Beerdigung noch einmal obduzieren.

 

Kurz vor zehn Uhr beginnt sich der Hinterhof der Eyyüb-Sultan-Camii zu füllen. An einer Fassade des verschachtelten Gebäudekomplexes, der von außen nicht als Gotteshaus zu erkennen ist, sind eine deutsche und eine türkische Fahne angebracht worden. Aus einem Fenster flattert die Flagge von Baden-Württemberg. Angehörige, Freunde und Bekannte der Familie warten im Inneren. Im Hof versammeln sich Anwohner, Mitglieder verschiedener Moscheevereine und Vertreter von Organisationen, die mit den türkischen Kulturvereinen zusammengearbeitet haben. Dann werden die Särge hineingetragen, jeder ist in eine deutsche und eine türkische Fahne gehüllt. Einige Frauen schlagen sich weinend die Hände vor das Gesicht. Der Imam beginnt mit seinem Aufruf zum Gebet. Ein Junge bricht in Tränen aus.

Knapp eine Stunde später treffen Vertreter der türkischen und der hiesigen Landesregierung ein. Baden-Württembergs stellvertretender Ministerpräsident Nils Schmid, der selbst mit einer türkischstämmigen Frau verheiratet ist, spricht mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen von Kindern, „die nie wieder auf der Straße mit ihren Freunden spielen“ werden. Ganz Baden-Württemberg sei an diesem Tag in Trauer vereint. Das Land werde alles daran setzen, alle Fragen über die Umstände der Tragödie zu beantworten.

Landratsamt: Keine Hinweise auf gefährliche Baumängel

Das fordert auch der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bekir Bozdak. Man vertraue darauf, dass die deutschen Behörden detaillierte Ergebnisse liefern werden, er mahnte aber auch, dass „sämtliche Ursachen in Betracht gezogen werden“. Die Leichen sollen am selben Tag in ihre Heimat gebracht, dort noch einmal untersucht und beerdigt werden. Für den Schmerz der Angehörigen gebe es keine Worte. „76 Millionen türkische Bürger leiden heute mit Ihnen.“ Nach einem Gebet werden die Särge durch ein Spalier der Menschenmenge fortgetragen. Die Trauergäste stimmen leise Abschiedsgesänge an.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat am Nachmittag auf Anfrage bestätigt, dass die Untersuchungen der Brandopfer abgeschlossen seien und der Gerichtsmediziner die Vermutungen der Polizei bestätigt habe. Demnach seien die 40-jährige Mutter und ihre sieben Kinder in der Nacht auf tragische Weise durch eine Rauchgasvergiftung ums Leben gekommen, erklärte eine Sprecherin der Behörde. Experten der Polizei und der Feuerwehr sind weiter mit der Spurensuche beschäftigt. Die Brandursache sei nach wie vor offen, betonte ein Sprecher der Waiblinger Polizei. „Wir gehen nach dem Ausschlussverfahren vor. Das heißt, wir prüfen alle Möglichkeiten der Brandentstehung Stück für Stück ab und wenden uns der nächsten zu“, so deren Leiter Ralf Michelfelder. Auch den von Angehörigen geäußerten Vorwürfen, wonach die elektrischen Leitungen in der Fünfzimmerwohnung in einem katastrophalen Zustand gewesen seien, gehe man nach. Der Vermieter sei nach wie vor nicht greifbar, er befinde sich auf einem Auslandsurlaub. Ein Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft aber bisher nicht gegen ihn eingeleitet.

Das Waiblinger Landratsamt teilte mit, das Jugendamt habe der Familie im Jahr 2010, zu Beginn der Unterstützung, dabei geholfen, eine „inakzeptable Wohnung“, welche die Familie damals bewohnte, zu verlassen und in Backnang umzuziehen. Die Wohnung, in der das Feuer ausbrach, habe sich die Familie selbst gesucht. Eine Familienhelferin sei nach dem Umzug dabei behilflich gewesen, Renovierungsmaterial zu organisieren und mit dem Vermieter zu sprechen. Seitdem habe es von der Familie aber keine Hinweise auf gefährliche Baumängel gegeben.