Das ist wohl Künstlerpech: die Göppinger Feuerwehr übt an einem Abbruchhaus, das plötzlich lichterloh in Flammen steht. Der Feuerwehrkommandant entschuldigt sich. Doch das Missgeschick bedeutet einen weiteren Imageschaden.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Es sollte eine unangekündigte „reelle Einsatzübung“ in einem Abbruchobjekt werden. Dann aber hat plötzlich die ganze ehemalige Gärtnerei Berner in Flammen gestanden. Dichter Rauch zog am Montagabend über das angrenzende Göppinger Wohngebiet Bodenfeld. 40 bis 50 Notrufe von Anwohnern gingen bei der Rettungsleitstelle ein. Schaulustige kamen heran, während die Einsatzleitung zusätzliche Löschzüge und einen Rettungswagen zum Schauplatz beorderte.

 

Eine Stunde dauerte es, ehe der Vollbrand unter Kontrolle war. „Das Ganze ist ein bisschen aus dem Ruder gelaufen“, räumte der kommissarische Stadtkommandant Peter Melzer hinterher ein. Wahrscheinlich hätten die beiden mit der Vorbereitung der Übung betrauten Kameraden nicht aufgepasst. Um annäherend reale Einsatzvoraussetzungen zu schaffen, hatten sie an mehreren Stellen Holzkisten übereinander gestapelt, mit Laub gefüllt und angezündet. In dem weitläufigen Gebäude begann es mächtig zu qualmen. Doch dann passierte das, was Feuerwehrleute einen Flashover nennen. Der Rauch kann nicht abziehen, sammelt sich unter der Decke. Dort entsteht ein Wärmestau, der die Temperatur stark ansteigen lässt. Bei 500 bis 600 Grad geraten brennbare Materialien auch ohne Berührung mit einer Zündflamme im Brand. In der leer stehenden Gärtnerei betraf dies die Holzbalken der Deckenkonstruktion.

Peinlichkeit oder Künstlerpech?

„Das war wohl Künstlerpech“, sagte Melzer, der am Dienstagnachmittag beim Geschäftsführer der städtischen Wohnbaugesellschaft (WGG), Volker Kurz, vorsprach, um sich zu entschuldigen. Die WGG hatte das Gelände der ehemaligen Gärtnerei Berner vor einigen Monaten gekauft, um dort in unmittelbarer Nachbarschaft zum Göppinger Freibad einen Wohnkomplex für 60 Familien zu erstellen. Der erste Ärger habe sich mittlerweile gelegt, sagte Kurz nach dem Gespräch. Es bleibe aber eine Peinlichkeit. Allerdings werde die WGG weiterhin Abbruchhäuser für Übungen zur Verfügung stellen. „Ich mache das seit 30 Jahren. Bisher war noch nie etwas passiert.“

Die Feuerwehr übe „nur ganz selten“ mit echtem Feuer, sagte Melzer, der anordnete, vorläufig keine „warmen Einsatzübungen“ mehr anzusetzen. „Wir haben ja künstliche Raucherzeuger.“ Die Nachalarmierung weiterer Löschzüge aus den Stadtteilen Holzheim und Jebenhausen sei von Anfang an geplant gewesen, sagte Melzer. Weil in der Kernstadt tagsüber oft nicht genügend Feuerwehrleute zur Verfügung stünden, sei es Teil der neuen Einsatzkonzeption, die Vorortwehren bei Einsätzen in der Innenstadt stärker heranzuziehen. Dies sollte am Montag geübt werden.

Schlecht für den ohnehin ramponierten Ruf

Gleichwohl sei die ungeplante Eskalation der Übung für den ohnehin ramponierten Ruf der Göppinger Feuerwehr „ganz schlecht“, sagte Melzer. Nicht zum ersten Mal muss der ehrenamtliche Vizekommandant als Chef der 270 Göppinger Wehrleute einspringen. Bereits zum dritten Mal war im vergangenen Jahr ein hauptamtlicher Stadtkommandant nach kurzer Zeit abgetreten. Die Suche nach einem Nachfolger blieb bisher erfolglos.

Einer dieser Kurzzeitleiter hatte die Göppinger Feuerwehr im Nachhinein gar als „unführbar“ bezeichnet. Kürzlich war bekannt geworden, dass Unterlagen und Dokumente aus dessen Zeit aus dem Feuerwehrhaus verschwunden sind. In einer schriftlichen Stellungnahme auf eine Anfrage der Grünen räumt die Feuerwehr ein, dass sie wegen der geringen Zahl hauptamtlicher Kräfte ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber anderen Wehren gegenwärtig „nicht in dem zu erwartendem Umfang“ nachkomme.