Seit mehr als 100 Jahren gibt es bei Bosch in Feuerbach eine Werkwehr. Dort sind auch junge Damen beschäftigt – haupt- und nebenamtlich.

Wenn der Melder geht, dann ändert sich die Perspektive“, sagt Tina Hirte. Egal, ob Präsentation, Telefongespräch oder Konferenz, die Entwicklungsingenieurin muss dann in Sekundenschnelle umschalten: Von Arbeit auf Einsatz, von Büroatmosphäre auf Gefahrenbekämpfung und Menschenrettung. Die junge Frau arbeitet bei der Werkfeuerwehr der Firma Bosch in Feuerbach – nebenberuflich. Das bedeutet, dass während der Arbeitszeit ihr Handy klingeln kann und sie zur einige Meter entfernten Feuerwache laufen und sich einsatzbereit machen muss.

 

Für alle gelten die gleichen Regeln

57 hauptamtliche und 36 nebenamtliche Feuerwehrleute gibt es am Bosch-Standort in Feuerbach – Frauen sind dabei deutlich in der Minderheit. Wie übrigens auch bei allen anderen Wehren: Laut dem „Netzwerk Feuerwehrfrauen e.V.“ liegt die bundesweite Frauenquote bei den Freiwilligen Feuerwehren bei rund sieben Prozent, bei den Berufswehren sind es noch nicht einmal anderthalb Prozent. „Die Damen tun der Sache gut“, sagt Steffen Schilling, Kommandant der Bosch Werkwehr. Bei Einsätzen und in der Ausbildung würden zwar für alle die gleichen Regeln und Anforderungen gelten, der Umgang miteinander sei allerdings angenehmer, wenn Frauen anwesend sind. Einen handfesten Vorteil haben die Damen gegenüber ihren männlichen Kameraden: Für den korrekten Sitz der Atemschutzausrüstung müssen sie sich nicht rasieren.

„Hin und wieder gibt es schon einen dummen Spruch. Der hat aber nichts damit zu tun, dass ich eine Frau bin“, erzählt Tina Hirte. Schon als Kind hat die heute 40-Jährige mit einem Lego-Feuerwehrhaus gespielt und Grisu, den kleinen Drachen, bewundert, der so gerne Feuerwehrmann werden möchte. Als es im Jahr 2017 am Bosch-Standort in Gerlingen eine Einführungsveranstaltung zum Thema Werkwehr gab, war sie sofort Feuer und Flamme. Anderen helfen, etwas Neues erleben, Menschen kennenlernen, den eigenen Horizont erweitern – für Hirte gab es zahlreiche Gründe, in Aktion zu treten. Mittlerweile ist sie Trupp-Führerin, hat eine Funkausbildung und schon einige Einsätze hinter sich. „Es macht teilweise richtig Spaß. In konkreter Gefahr war ich noch nie“, erzählt die Ingenieurin. Sie wisse, dass sie sich auf ihre Kameraden und auf ihre Ausrüstung verlassen könne. Über ein besonderes Vorkommnis kann sie dann aber doch berichten: Als im Jahr 2021 schwere Stürme tobten, wurde sie daheim alarmiert, musste den Wetterkapriolen trotzen und zur Wache ins Werk fahren: „Das war abenteuerlich.“ Der Einsatz selbst sei dann nur noch halb so wild gewesen.

Auch beim Frühlingsfest im Einsatz

Normalerweise ist die Werkwehr, die 1917 gegründet worden ist, vor allem bei Bosch in Stuttgart im Einsatz, doch auch an andere Firmenstandorte wird auf Anforderung ausgerückt. Auch von außerhalb der Bosch-Firmengruppe gibt es Anfragen: Beim Stuttgarter Frühlingsfest beispielsweise ist die 42 Meter hohe Drehleiter (intern Teleskopmast genannt) vor allem beim Riesenrad eine gern gesehene Hilfe. In Feuerbach findet die gesamte Ausbildung für alle Bosch-Feuerwehrleute in Baden-Württemberg statt – egal, ob haupt- oder nebenberuflich. Momentan absolvieren rund 30 junge Leute die dreijährige hauptamtliche Ausbildung, drei davon sind Frauen. Zu ihnen gehören Larissa Mann und Sandra Hanselmann. Beide sind auch in ihren Heimatorten aktiv. „Ich war in Bondorf die allererste Frau bei der Wehr“, erzählt Hanselmann. Eigentlich hat die junge Frau den Beruf der Industriekauffrau gelernt. „Ich wollte mehr Abwechslung“, sagt sie heute.

Ähnlich ging es Larissa Mann. Die gelernte Kfz-Mechatronikerin interessiert sich schon seit den Kindertagen für Technik und Feuerwehr und landete bei der Jugendwehr in Bietigheim-Bissingen und dann auch bei Bosch. In Bietigheim-Bissingen war sie vor Kurzem beim Brand eines großen Möbelhauses im Einsatz – unter anderem auf dem Dach, armiert mit Axt und Schlauch. „Ich bin total ruhig, wenn es darauf ankommt. Dann ist mein Puls ganz niedrig“, erzählt sie. So dramatisch wie beim Möbelhaus-Brand geht es bei Bosch nur selten zu. Meistens wird wegen technischer Hilfeleistungen ausgerückt, richtig brennen tut es recht selten, auch gibt es relativ oft Fehlalarme. Doch auch medizinische Hilfeleistungen stehen auf dem Programm, alle Feuerwehrleute sind ausgebildete Rettungssanitäter.

Stricken, nähen, Feuer löschen

Mit gemischten Gefühlen sehen die Feuerwehrleute die TV-Bilder aus der Ukraine. Dort kämpfen ihre Kameraden und Kameradinnen Tag für Tag um Menschenleben. „Wenn bei uns einmal etwas Ähnliches passiert, dann möchte ich nicht fliehen und mich verstecken müssen, sondern helfen“, sagt Tina Hirte. Sie plant, demnächst an ihrem Heimatort in die Freiwillige Feuerwehr einzutreten. „Meine Freunde finden, ich bin ein bisschen verrückt“, erzählt sie lachend und ergänzt: „Ich kann stricken und nähen, aber eben auch Feuer löschen.“