In einem anonymen Brief wird die Einsatzfähigkeit der hauptamtlichen Feuerwehrmänner in Ludwigsburg angezweifelt – zu Unrecht, wie der Bürgermeister erklärt. Dennoch ist das Schreiben erhellend.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Die Frage hat es in sich: „Wie ist es um die Einsatzfähigkeit der hauptamtlichen Führungskräfte der Feuerwehr bestellt?“ Die Antwort liefert der Fragesteller indirekt gleich mit. Da ein großer Teil dieser Führungskräfte außerhalb der Arbeitszeit so vielen nebenberuflichen Tätigkeiten nachgehe, sei es zumindest etwas zweifelhaft, ob die Männer überhaupt ausgeruht zu ihrem hauptberuflichen Dienst erscheinen könnten.

 

Der Vorgesetzte weist die Behauptungen zurück

Der Verfasser der Zeilen bekennt sich aus Sorge vor „möglichen Repressalien“ nicht mit seinem Namen zu seinen Behauptungen, hat den Brief aber an so viele Adressaten geschickt, dass er ausreichend Unruhe auslösen musste. Der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec befindet sich im Verteiler, die Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats sind ebenfalls aufgeführt. „Vielleicht“, schließt der Schreiber, „kann dieses Schreiben einen kleinen Anstoß geben, um die Themen sachlich und konstruktiv mit den Betroffenen und Verantwortlichen zu klären.“

Um es kurz zu machen: Die Ludwigsburger Feuerwehrleute sind allzeit bereit. „Der Brief geht ins Leere“, sagt Konrad Seigfried, der als Erster Bürgermeister der Vorgesetzte der hauptamtlichen Feuerwehrleute ist. Entscheidend für diese Feststellung ist laut Seigfried die Tatsache, dass die Ludwigsburger Wehr die Hilfsfristen „übererfülle“, ihre Einsatzfähigkeit also in keiner Weise gefährdet sei.

Hauptamtliche Feuerwehrleute haben teilweise viel Freizeit

Dennoch ist das Schreiben des unbekannten Verfassers erhellend. Zum einen, weil es ein Licht auf die Befindlichkeiten innerhalb der Ludwigsburger Feuerwehr wirft. Nur deshalb hat Seigfried den anonymen Brief nicht umgehend entsorgt. Zum anderen, weil es das Bewusstsein für das Berufsbild des Feuerwehrbeamten schärft.

Tatsächlich ist es so, dass viele der 1500 hauptamtlichen Feuerwehrleute in Baden-Württemberg einer nebenamtlichen Arbeit nachgehen. Nicht, weil sie zu wenig verdienten. „Es ist nicht so, dass man die Besoldung verbessern muss“, sagt Michael Oser, der der Arbeitsgemeinschaft der Feuerwehren mit hauptamtlichen Kräften in Baden-Württemberg vorsitzt. Vielmehr sei es so, dass viele Feuerwehrleute wegen ihrer Schichtdienste viel Freizeit haben. Eine 41-Stunden-Woche, wie sie bei der Ludwigsburger Wehr gilt, kann so zum Beispiel bereits Mitte der Woche abgeleistet sein.

Nebenjobs als Zimmerer, Busfahrer oder Sanitäter

Unter den 32 hauptamtlichen Feuerwehrleuten gibt es denn auch neun Kameraden mit Nebenjob-Genehmigung. Einer fährt zum Beispiel Omnibus, einer arbeitet als Zimmerer, einer mäht nebenher Rasen und schneidet Hecken, und einige betreiben nebenbei eine Landwirtschaft. Hauptamtliche in Esslingen und Böblingen arbeiten nebenamtlich teilweise als Rettungssanitäter. Ein Beamter aus Waiblingen unterrichtet an der Landesfeuerwehrschule.

Nach den Erfahrungen von Michael Oser, der zugleich Kommandant in Tübingen ist, sei es grundsätzlich von Vorteil, wenn sich die Kameraden auch außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit fit und handwerklich geschickt halten. Wobei dies nicht die Kriterien sind, die für die Genehmigung einer Nebentätigkeit ausschlaggebend sind. Entscheidend ist das Landesbeamtengesetz. Nicht genehmigungsfähig sind unter anderem Nebentätigkeiten, die den Beamten so stark in Anspruch nehmen, dass seine dienstliche Pflicht darunter leidet, seine Unparteilichkeit oder das Ansehen der öffentlichen Verwaltung.

Die Kameraden haben eine aufreibende Zeit hinter sich

In Ludwigsburg dürfen die Feuerwehrleute deshalb nicht mehr als achteinhalb Stunden pro Woche nebenamtlich tätig sein, und zwischen zwei hauptamtlichen Einsätzen muss eine Ruhezeit von elf Stunden eingehalten sein. Dass in dieser Hinsicht alles mit rechten Dingen zugeht, weiß die Stadtverwaltung spätestens, seit sie im vergangenen Jahr die Genehmigungen für den damaligen Kommandanten Andreas Thoß überprüft hat. Als er im Dezember abberufen wurde, mutmaßten viele, dass er bei seinen Nebentätigkeiten geschummelt habe. Tatsächlich war es die Klage von Thoß’ Untergebenen über dessen „komplettes Führungsversagen“ gewesen, die zu seiner Absetzung geführt hatte. Inzwischen, würdigen Kenner, funktioniere die hauptamtliche Abteilung in Ludwigsburg wieder tadellos.

„Das ist eine Granatenschweinerei“, schimpft übrigens Hans-Peter Peifer über die Behauptungen in dem anonymen Brief. Peifer leitet die hauptamtliche Abteilung mit Frank Pfersich kommissarisch, bis ein neuer Kommandant gefunden ist. „Bei uns läuft es besser denn je!“

Und noch ein Konflikt wirkt nach

Aber offenbar nicht reibungslos, wie das anonyme Schreiben zeigt. Was mit einem weiteren Konflikt, der bewältigt zu sein schien, zusammenhängen könnte: Es geht dabei um Fehlalarme. Im Februar 2016 verurteilte das Amtsgericht zwei junge ehrenamtliche Feuerwehrleute, weil sie über Jahre hinweg Alarme in Ludwigsburg ausgelöst hatten. Der dritte Angeklagte wurde freigesprochen, sein Vater musste allerdings eine der Ludwigsburger Innenstadt-Abteilungen abgeben, die er bis dahin ehrenamtlich geleitet hatte. Kenner der Szene vermuten in den Reihen dieser einstigen Verbundenen denn auch den Verfasser des anonymen Schreibens.