Rund 60 falsche Alarme sollen drei Männer aus Ludwigsburg ausgelöst haben – das Amtsgericht hat aber nur zwei von ihnen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft will nun das Verfahren gegen den Dritten neu aufrollen.

Ludwigsburg - Mehr als 60 Mal sollen drei junge Männer in Ludwigsburg einen Feueralarm ausgelöst haben, obwohl weit und breit keine Flammen zu sehen waren: Der Prozess um diesen Vorwurf hat jüngst nicht nur in Feuerwehrkreisen hohe Wellen geschlagen. Das Amtsgericht Ludwigsburg verurteilte Mitte März zwei der Männer zu vergleichsweise milden Strafen, der Dritte kam ohne Bestrafung davon. Doch das könnte sich nun ändern. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Berufung gegen das Urteil eingelegt und will den Freispruch für jenen 22-Jährigen vorerst nicht akzeptieren.

 

Die Berufung sei aus Fristgründen eingereicht worden, sagt Jan Holzner, der Sprecher der Stuttgarter Behörde. Nun wolle man genau prüfen und gegebenenfalls vor das Landgericht Stuttgart ziehen. Neue Beweise gebe es zwar nicht, eine andere Instanz werte die belastenden Aussagen der Mitangeklagten aber vielleicht anders und komme dann zu dem Schluss, auch den 22-Jährigen zu verurteilen.

Staatsanwaltschaft will den Freispruch nicht hinnehmen

Vor dem Amtsgericht hatten die beiden Geständigen ihren Kameraden schwer beschuldigt, dieser hatte jedoch alle Vorwürfe abgestritten. Da neben diesen Aussagen keine weiteren Hinweise vorgebracht werden konnten, sprach die Ludwigsburger Jugendkammer den Mann aus Mangel an Beweisen frei – der Richter machte bei der Urteilsverkündung aber deutlich, dass er keineswegs von der Unschuld des 22-Jährigen überzeugt sei. Ähnlich hatte es auch die Staatsanwaltschaft gesehen und auf eine Bestrafung des 22-Jährigen plädiert.

Die rund 60 falschen Alarme, welche die Angeklagten unter anderem in Einkaufszentren, Schulen und Altenheimen ausgelöst hatten, haben aber nicht nur ein gerichtliches Nachspiel. In den kommenden Wochen wird auch zu klären sein, wer die Kosten für die vermeidbaren Einsätze trägt. In der Regel erhalte der Eigentümer eines Gebäudes, in dem der Alarm losgehe, nach einem Feuerwehreinsatz eine Rechnung der Stadt, erklärt Gerald Winkler, der Fachbereichsleiter für Sicherheit und Ordnung im Ludwigsburger Rathaus. Doch bei den Fehlalarmen, die von den drei Feuerwehrleuten bewusst ausgelöst wurden, müssten diese Rechnungen nun überprüften werden – und die Stadt den Eigentümern das Geld für den unnötigen Einsatz womöglich zurücküberweisen.

Damit das Rathaus seinerseits nicht auf dem Schaden sitzenbleibt – vor Gericht war eine Summe von rund 35 000 Euro genannt worden – sei die Stadt für solche Fälle versichert, sagt Winkler. Diese Vertrauensschadenversicherung müsse zahlen, wenn das Urteil nach der Berufung rechtskräftig werde. Endgültig abrechnen könne man aber erst, wenn klar sei, um wie viele falsche Alarme es sich wirklich handele. Denkbar ist laut Winkler, dass die Versicherung ihrerseits dann Regress-Forderungen bei den drei Angeklagten stellt.

Den Schaden muss wohl eine Versicherung der Stadt zahlen

Der Fall war auch deshalb auf großes Interesse gestoßen, weil die drei Angeklagten allesamt Mitglieder der Ludwigsburger Feuerwehr waren, als sie in den Jahren 2013 und 2014 die falschen Alarme auslösten. Sie hätten einen besonderen Kick bekommen, an den anschließenden Einsätzen teilzunehmen, sagten sie vor Gericht. Inzwischen fahren aber alle drei keine Einsätze mehr: Zwei haben die Wehr verlassen, einer wurde beurlaubt.

Ein weiteres, durchaus pikantes Detail des Ganzen: der zunächst freigesprochene 22-Jährige stammt aus einer wahren „Feuerwehr-Familie“. Sein Vater war bis vor wenigen Monaten der Kommandant einer der drei Innenstadt-Abteilungen der Feuerwehr. Er trat im Zuge der Ermittlungen zurück – wohl auch, weil die hohe Zahl der Fehlalarme die Moral in seiner Truppe schwächte. Vor Gericht sagte ein hochrangiges Mitglied der Wehr, zeitweise sei sogar die Einsatzfähigkeit gefährdet gewesen, weil sich einige Mitglieder geweigert hatten, auszurücken. Inzwischen hat sich die Lage in der Abteilung offenbar gebessert. Laut Gerald Winkler befindet sich die Mannschaft seit dem Rücktritt des Kommandanten „auf einem guten Weg“.