Ein schwerer Verkehrsunfall und Feuer im neuen Darmsheimer Tunnel wäre für die Feuerwehr eines der wohl schlimmsten denkbaren Szenarios. Um darauf vorbereitet zu sein, wurde genau diese Situation nun geübt.

Böblingen - Dicke Rauchschwaden quillen aus dem Tunneleingang, das Atmen in dessen Nähe fällt schwer. Dann kommen auch schon die ersten Feuerwehrfahrzeuge mit Martinshorn angefahren. Die Einsatzkräfte springen heraus und schultern ihre Atemschutzgeräte. Denn es ist Eile geboten: Im Inneren des Tunnels hat es einen schweren Unfall gegeben, mehrere Menschen sind verletzt. Ein Kleinbus hat Feuer gefangen, der Tunnel droht zur Todesfalle zu werden. Ein Horrorszenario, das dieses Mal zum Glück nur gespielt war.

 

Mit einer Großübung der Gefahrenabwehr haben Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst und Technisches Hilfswerk (THW) am Samstag den Ernstfall im neuen Tunnel in Sindelfingen-Darmsheim (Kreis Böblingen) geübt. Mehr als 300 Einsatzkräfte wurden eingespannt, um dies so realistisch wie möglich zu gestalten. „Im Notfall muss jeder wissen, was er zu tun hat“, sagte Rainer Just von der Sindelfinger Feuerwehr und am Samstag der Einsatzleiter.

Tunnel stellen die Feuerwehr vor Probleme

Denn ein Feuer im Tunnel kann die Wehr vor große Herausforderungen stellen. Dort können die Rauchgase nicht frei abziehen, sondern verteilen sich horizontal – gefährlich nicht nur für die Unfallopfer, sondern auch für die Einsatzkräfte, die sich Stück für Stück durch den Tunnel vorarbeiten müssen. „Durch die starke Rauchentwicklung geschieht dies unter Nullsicht. Die Einsatzkräfte müssen dabei jeden Zentimeter des Tunnels ganz genau kontrollieren“, erklärt Marcel Schmid, der Sprecher der Feuerwehr Sindelfingen-Darmsheim. Außerdem könnten sich in einem Tunnel wie dem in Darmsheim bis zu 100 Personen aufhalten. Um auf Schwierigkeiten dieser Art vorbereitet zu sein, haben sich Sindelfinger Feuerwehrkameraden in einem Schulungszentrum in der Schweiz speziell dafür ausbilden lassen.

Am Samstag nun sollten sie ihr Wissen praktisch anwenden. Das Szenario: etwa auf der Mitte des 460 Meter langen Tunnels ist ein Auto mit einem Kleinbus kollidiert. Dabei sind mehrere Menschen verletzt worden – ein Opfer ist in seinem Wagen eingeklemmt, ein anderes liegt darunter. Andere irren umher und versuchen, sich über den Rettungsstollen, der in der Mitte des Tunnels beginnt und am Grafenauer Portal endet, in Sicherheit zu bringen. Außerdem ist der Kleinbus nach dem Zusammenstoß in Flammen aufgegangen. „Dadurch wird Rauchgas freigesetzt“, erklärt Rainer Just bei der Vorbesprechung des Einsatzes im Darmsheimer Feuerwehrhaus. Deshalb sind mehrere Menschen in der Tunnelröhre bewusstlos geworden und werden vermisst. Keine leichte Aufgabe für die Einsatzkräfte.

Wie ein Alarm ausgelöst wird

Stavros Kominis hatte im Vergleich dazu einen entspannten Job, findet er zumindest. Der stellvertretende Kreisjugendleiter des Roten Kreuzes mimte das im Auto eingeklemmte Unfallopfer. Und er sah wirklich zum Fürchten aus. Rund eine Stunde lang hatte ein Schminkteam sein Gesicht bearbeitet, nun hatte er offene, blutende Wunden auf Stirn und Nase. Nervös war er vor seinem Einsatz aber nicht. „Ich muss nur im Auto sitzen, ich bin ja bewusstlos“, sagte er kurz bevor es los ging.

Sollte einmal ein echter Brand im Tunnel ausbrechen, kann der Alarm beispielsweise über Druckknopfmelder in den beiden SOS-Inseln ausgelöst werden. Außerdem gibt es Handyempfang im gesamten Tunnel. Der Alarm geht auch los, wenn ein Feuerlöscher aus seiner Verankerung genommen wird. „Wenn es einen echten Alarm im Tunnel gibt, dann wird nicht erst geschaut, was los ist. Dann müssen sofort alle alarmiert werden“, erklärt der Sindelfinger Feuerwehrmann Rainer Just. Dann wird der Tunnel auch sofort über Ampeln und Schranken geschlossen. Just zeigte sich im Nachgang mit der Leistung seiner Kameraden und der restlichen Einsatzkräfte sehr zufrieden. „Aus meiner Sicht ist die Übung sehr gut gelaufen“ , sagte er. In der Nachbesprechung in den nächsten Tagen soll trotzdem über mögliche Verbesserungen gesprochen werden.

Der Darmsheimer Tunnel

Verkehr:
Die Ortsumfahrung, zu der der 460 Meter lange Tunnel gehört, soll zur Entlastung vor allem des Ortskerns von Sindelfingen-Darmsheim dienen, wo täglich rund 14 000 Fahrzeuge gezählt werden. Er verbindet Sindelfingen mit Grafenau.

Projekt:
Der Spatenstich, mit dem die Umfahrung offiziell in Angriff genommen wurde, fand im Jahr 2010 statt. Die Kosten des Projektes in Höhe von rund 32 Millionen Euro – darin sind die Nordumfahrung und der Tunnel inkludiert – trägt das Land, das allerdings bis Oktober 2013 wegen Etatproblemen einen Baustopp verhängte. Mit den Sprengungen begann man schließlich im Mai 2015. Die Arbeiten erwiesen sich als kompliziert, da der Tunnel einen Höhenunterschied von 14 Metern überwinden muss und sich die Fahrbahn im Wechsel um bis zu sechs Grad nach rechts und links neigt. Die offizielle Eröffnung des Tunnels und die Freigabe für den Verkehr ist für Mai geplant.