Die Feuerwehren im Kreis haben immer mehr Einsätze und dafür immer weniger Personal zur Verfügung. Nun suchen sie zum Teil mit originellen Aktionen nach Quereinsteigern, die sich als Freiwillige einbringen möchten.

Kreis Böblingen - Mit Bierdeckeln werben die Feuerwehrleute in Weil der Stadt um Mitstreiter. „Wir wollen dich!“, lautet die Botschaft in den Kneipen der Stadt. Auf eher konventionelle Methoden setzt man in Weissach: Mit einem Banner, das abwechselnd an verschiedenen Stellen im Ort aufgestellt wird , konnten in den vergangenen drei Jahren „sechs neue Kameraden gewonnen werden“, berichtet der Kommandant Holger Marquardt stolz.

 

Nachwuchs sucht die Feuerwehr fast überall im Kreis händeringend. Die Zahl der Einsätze ist hoch und wächst weiter. Keller leer pumpen ist momentan landauf, landab ihr Hauptgeschäft. „Neulich hatten wir an einem Abend 40 Einsätze in Ehningen“, berichtet Markus Priesching, der Kommandant der Gärtringer Wehr und Chef des Böblinger Kreisfeuerwehrverbands. Kaum zum Durchatmen kämen die Helfer angesichts der Wetterkapriolen, die nicht enden wollen.

Immer mehr Einsätze

„Dabei gehört das Leerpumpen vollgelaufener Keller nicht zu den Pflichtaufgaben der Feuerwehren“, stellt Jürgen Vogt klar, der Kommandant der Herrenberger Truppe mit acht Abteilungen - eine in jedem Stadtteil. Deshalb sei der Name Feuerwehr nicht mehr passend. „Eigentlich müssten wir uns Hilfeleistungswehr nennen.“ Die Zahl der Einsätze nehme seit Jahren kontinuierlich zu, sagt Vogt. Im Jahr 2013 verzeichnete die Herrenberger Wehr 248 Einsätze – ohne Unwetterereignisse, die kommen noch hinzu. Vier Jahre später waren es bereits 306. Dabei gingen nur ein Drittel der Notrufe auf klassische Brände zurück, fast zwei Drittel machten andere Hilfeleistungen aus: bei Unfällen oder Unwetter, aber auch Türöffnungen in Gefahrensituationen.

Gefragt sind die Freiwilligen bei Unfällen, um Leute aus Autos zu bergen, oder Ölspuren von der Straße zu entfernen. Nicht ganz so schlimm wie in Großstädten sei es im Kreis Böblingen, sagt Vogt, der Erfahrung aus Augsburg mitbringt: „Da rufen die Leute an, wenn ein toter Igel auf der Straße liegt.“

Ohne Hauptamtliche geht es nicht mehr

Gleichzeitig stehen dem Kommandanten aber weniger Leute zur Verfügung. Das Problem dabei sei nicht die Zahl der Aktiven, die im wesentlichen gleich sei wie vor einigen Jahren. „Aber was schwieriger geworden ist, ist die Verfügbarkeit der Leute.“ Früher arbeiteten viele Feuerwehrmänner im Ort, als Handwerker oder Landwirte“, erklärt Markus Priesching. „Heute pendeln die meisten zu ihrem Arbeitsplatz aus, sind tagsüber nicht verfügbar.“ Und auch am Wochenende sei es mittlerweile nicht mehr selbstverständlich, bei einem Notruf genügend Aktive zusammenzubekommen. „Das Freizeitverhalten hat sich geändert. Die Leute fahren oft am Wochenende weg.“ Die größeren Wehren haben deshalb bereits vor Jahren einige Hauptamtliche angestellt. Zwölf Profis gibt es in der Sindelfinger Feuerwache, 18 sind es in Böblingen. „So haben wir tagsüber immer genügend Leute für ein Feuerwehrauto“, sagt der Sindelfinger Kommandant Rainer Just.

Herrenberg hat nur vier Stellen für Hauptamtliche, drei davon sind auch im Einsatzdienst. Umso mehr Freiwillige braucht der Kommandant. „Die Gewinnung von Aktiven ist eine Daueraufgabe.“ Möglichst noch in diesem Jahr wollen die Herrenberger eine Öffentlichkeitskampagne starten. „Wir werden einen Bus des Stadtverkehrs bekleben und um neue Mitglieder werben.“

Quereinsteiger hochwillkommen

Dabei sucht der Kommandant sowohl Nachwuchs für die Jugendfeuerwehr als auch für die Aktiven. „Auch mit 30 oder 40 Jahren kann man noch bei uns einsteigen.“ Zwei Jahre dauere die Grundausbildung. „Wenn einer mit 45 Jahren anfängt, kann er noch 20 Jahre lang ausrücken.“ Mit 65 ist aber nach dem derzeitigen Feuerwehrgesetz dann Schluss. „Die Einsätze sind körperlich belastend. Das kann man irgendwann nicht mehr.“

In Böblingen startet man demnächst eine große Kampagne zur Mitgliedergewinnung. Mit Flyern, Bauzaunbannern und Aktionen in den sozialen Medien sollen neue Feuerwehrleute akquiriert werden. „Wir suchen gezielt auch Quereinsteiger“, sagt der Pressesprecher Mario Schnepf. Etwa 150 Aktive haben die Truppen in der Kernstadt und dem Stadtteil Dagersheim zusammen. „So 200 wären gut, damit nicht einzelne Mitglieder überlastet sind.“

Potenzial sieht Schnepf bei Frauen und Migranten. Nur etwas mehr als 100 der insgesamt 2600 Feuerwehrleute im Kreis sind weiblich. „Das ist noch immer eine Männerdomäne.“ Auch Zuwanderer seien hochwillkommen. „Allerdings müssen sie gut Deutsch sprechen, um die Ausbildung zu meistern.