Gleich mehrere Male haben Feuerwerker vom Kampfmittelbeseitigungsdienst 2014 Bomben in Stuttgart entschärft. Daniel Kuhn und Christoph Rottner sprechen über ihren gefährlichen Beruf.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Christoph Rottner ist schon unzählige Male in Gruben auf Baustellen gestiegen, in denen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg lagen, und hat die Bomben unschädlich gemacht. Doch vor kurzem ist ihm etwas widerfahren, was er so noch nicht erlebt hat. „Als wir im Stuttgarter Westen fertig waren mit der Entschärfung, kam eine Anwohnerin und hat sich bei uns bedankt. Das kannte ich so noch nicht“, sagt der 49-jährige Feuerwerker vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Baden-Württemberg. Im vergangenen Jahr mussten er und seine Kollegen immer wieder mitten in Wohngebieten ran, wo Blindgänger zu bergen waren. Im Juni bargen die Leute vom Kampfmittelbeseitigungsdienst zwei Blindgänger im Wald bei Degerloch, wofür ein angrenzendes Wohngebiet evakuiert werden musste. Dass die Menschen mit Verständnis reagieren, wenn sie für die Dauer der Entschärfung ihre Häuser verlassen müssen, das kennen Rottner und sein Kollege Daniel Kuhn (39). Aber das jemand tatsächlich auf sie zugeht, und den Feuerwerkern – so die offizielle Berufsbezeichnung – persönlich dankt, das ist den Männern neu.

 

Nett und aufmerksam finden sie die Geste der Anwohnerin. Doch eigentlich mögen es beide nicht, wenn man sie zu sehr in den Mittelpunkt stellt. „Da ist dann immer von Helden die Rede, die ihr Leben riskieren. Das ist so künstlich aufgesetzt, das mag ich nicht“, sagt Christoph Rottner. „Es geht ja nicht um uns, wir sind ein ganzes Team“, ergänzt sein Kollege Daniel Kuhn.

Doch es gibt Gründe, warum sich die Augen auf die Feuerwerker richten, wenn es brenzlig wird. Bei Bombenfunden wird die Umgebung abgeriegelt, um sicherzugehen, dass niemand verletzt wird, sollte der Blindgänger 70 Jahre nach dem Krieg nun doch noch in die Luft gehen, nachdem er damals beim Aufschlag nicht explodiert war. Die einzigen, die dann noch im Gefahrenbereich sein dürfen – und müssen –, sind die Fachleute, die in die Grube steigen und den Zünder aus der Bombe drehen.

Der Job kann auch „stinklangweilig“ sein

Das klingt schon ein bisschen nach Abenteuer und Heldentum. Doch genau diese Begriffe sind den Männern zuwider: „Wir sind keine Helden, wir machen nur unsere Arbeit, und die so gut wie möglich“, sagt Rottner. Dabei war er einst selbst der Ansicht, dass er mit dem Wechsel zum Kampfmittelbeseitigungsdienst in eine aufregende Branche gehen würde: „Ich habe mir schon etwas mehr Action vorgestellt“, sagt er. Im Bewerbungsgespräch habe er damals geantwortet, er wolle den Job machen, weil er sich das Bombenentschärfen „sauspannend“ vorstelle. „Stimmt nicht“, habe sein Chef entgegnet, „meistens ist es bei uns stinklangweilig.“ Diese Einschätzung des Vorgesetzten habe sich nicht im zu befürchtenden Ausmaß bestätigt. „Aber es stimmt schon, dass wir viel Zeit mit Warten und anderen Aufgaben, etwa Munitionsfunde abholen, verbringen. Das ist dann natürlich nicht ganz so aufregend wie das Bombenentschärfen“, sagt Kuhn. Zur Arbeit gehört auch das Unschädlichmachen und Vernichten der Bomben. „Dann ist man mal einen ganzen Tag in der Halle und zersägt Bomben, auch das gehört dazu“, sagt Kuhn. Die Erfahrung zeige, dass derjenige, der zu den Kampfmittelbeseitigern komme, weil er das Abenteuer sucht, meist nicht lange bleibe. Wer als Feuerwerker arbeiten will, sollte einen technischen Beruf haben und bekommt eine Zusatzausbildung zum Munitionsfacharbeiter.

Bevor er zum Kampfmittelbeseitigungsdienst kam, war Christoph Rottner Straßenbaumechaniker und hat unter anderem an der Universität Stuttgart gearbeitet. Dass er nicht gerade auf Langeweile im Berufsalltag steht, zeigt auch ein Blick zurück in seine Bundeswehrzeit: Rottner war Fallschirmjäger. „Meine Frau ist nicht so richtig begeistert von dem, was ich mache. Aber wir reden zuhause nicht viel darüber“, sagt der 49-Jährige. Bei Daniel Kuhn findet es der Vater super, die Mutter kommentiert die Berufswahl nicht. „Meine Schwester sagt, dass es gut zu mir passt“, fügt er hinzu. Die Familien wüssten ja, dass die Männer keine Draufgänger und auch nicht mit einem Himmelfahrtskommando unterwegs seien. „Was meine Familie aber weiß, ist, dass ich alles geregelt habe, wenn doch mal was passieren sollte“, fügt Kuhn hinzu. Schließlich wisse man, dass immer etwas schiefgehen könnte: Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind in Deutschland 13 Personen bei Bombenentschärfungen ums Leben gekommen. „Ich kannte von der Ausbildung einen Kollegen, der bei Göttingen umgekommen ist“, sagt Christoph Rottner. Das sind dann die Nachrichten, die nachdenklich machen: „Beim Entschärfen chemischer Langzeitzünder sind schon bessere Leute als ich gestorben.“

„Es ist aber schon so, dass man nie so ganz abschaltet – das Thema beschäftigt einen auch im Privatleben“. Das sei früher als selbstständiger Maschinenbauer anders gewesen: „Da bin ich abends raus, und alles war vorbei bis zum nächsten Morgen“, erzählt Kuhn. Nachdenklich mache der Job schon - und neugierig: Die Feuerwerker befassen sich auch außerhalb der Arbeitszeit mit historischen Dokumenten und Archivmaterial zum Zweiten Weltkrieg. Die Grundsatzfrage, warum die Menschheit auch heute noch Kriege führe, bleibt jedoch außen vor: „Das hat es immer gegeben, seit es Menschen auf dieser Welt gibt, das wird nie anders sein“, sagt der Feuerwerker Daniel Kuhn.