Immer wieder kommt es zu unliebsamen Begegnungen mit freilaufenden Hunden. Bei den Städten gehen etliche Klagen über Vorfälle wegen Anbellens aber auch Bissen ein. Ein Beispiel vom Schulweg eines Jungen auf den Fildern.

Filder - Wenn Caro, der Hund mit dem marmorierten Fell, zu Besuch kommt, ist der zehnjährige Felix im Glück. „Die zwei mögen einander sehr“, sagt Hermine Stotz, die Mama von Felix, und sie legt Wert darauf, dass ihr Kind mit Tieren aufwächst. „Wir mögen alle Viecher“, sagt sie, deswegen kommt der Hund der Freundin regelmäßig, auch über mehrere Tage, ins Haus nach Leinfelden. Nein, mit Hunden habe Hermine Stotz keinerlei Probleme, sagt sie. „Wenn sie sich benehmen können.“

 

Ein Exemplar, auf das dies offenbar nicht zutrifft, haben Mutter und Sohn schon mehrfach erlebt. Felix hat das Down-Syndrom und besucht eine Klasse in Dürrlewang. Bei schönem Wetter nehmen die beiden das Tandem und radeln über die Felder. Im Herbst ist dieser Hund außerorts kurz vor der Herschelstraße erstmals aufgetaucht. Unvermittelt sei das unangeleinte Tier auf Felix zu gerannt und habe ihn aggressiv angebellt. „Der ist ihm ans Hosenbein ran“, sagt seine Mutter. „Ich habe dann ein weinendes Kind in der Schule abgeliefert.“

Die Halterin hat sich uneinsichtig gezeigt

Tags drauf sei exakt dasselbe wieder passiert. Felix habe vor Schreck den Lenker verrissen, das Tandem sei im Grünstreifen zum Stehen gekommen. Hermine Stotz habe die Halterin, eine Frau um die 65, konfrontiert, „ich bin auch laut geworden“, doch die sei „null einsichtig“ gewesen. Es sei ja nichts passiert.

Seither hat Hermine Stotz die unbekannte Frau samt Hund mehrfach von Weitem gesehen und fragt sich, was sie tun soll, wenn wieder etwas passiert. Vor allem, seitdem sie jüngst die Geschichte eines Rentnerpaars aus Remseck in unserer Zeitung gelesen hat. Ein Hund hatte die Seniorin angefallen und verletzt, einen von der Stadt verhängten Maulkorbzwang ignoriert die Halterin aber seit Monaten, auch Zwangsgelder fruchten offenbar nicht. Nun will der Mann die Stadt verklagen – wegen Untätigkeit.

Die Leinfeldenerin kann nachfühlen, was den 80-Jährigen umtreibt. Der Fall schürt in ihr das Gefühl von Machtlosigkeit. „Was sagt mir das, übertragen auf die Vorfälle mit meinem Kind? Ist mir der Gang zum Ordnungsamt überhaupt eine Hilfe?“, fragt sie sich.

Diskussion bei Facebook über freilaufende Hunde

Mit ihrem Frust ist Hermine Stotz längst nicht allein. Bei Facebook tauschen sich Hundehalter von den Fildern verärgert über überforderte Tierbesitzer aus. „Wenn dein Hund auf 200 Meter einen anderen Hund anfixiert und auf mehrmaligen Zuruf nicht kommt, dann nimm deinen Hund gefälligst an die Leine! Das Losrennen auf meinen Hund (auch wenn deiner nur spielen will) geht mir so auf den Senkel!“, schreibt eine Frau, eine andere moniert: „Wer sich einen Welpen anschafft, weil der ja sooo süüüß ist, sollte gefälligst auch Zeit und Lust haben, diesen halbwegs zu erziehen!!!!!!“

Mit dem Leinenzwang gehen Kommunen unterschiedlich um. Während in L.-E., wo 1200 Hunde gemeldet sind, die Tiere im Innenbereich grundsätzlich an der kurzen Leine zu führen sind, benennt Stuttgart für die mehr als 14 600 Hunde nur einige Anlein-Bereiche explizit. In beiden Städten gilt indes, dass der Halter jederzeit durch Zuruf auf sein Tier einwirken können muss. Dass das nicht immer klappt, ist beiden Verwaltungen bewusst. „Es kommt immer mal wieder vor, dass Leute Angst haben“, erklärt Gisela Fechner, Sprecherin in L.-E., und ja, nicht immer seien die Halter einsichtig. Die Stadt könne Maulkorbzwang und Bußgelder verhängen, „es gab auch schon Fälle, in denen ein Training angeordnet wurde“. Bei aggressiven Tieren verweise man aber auf die Polizei.

Man kennt derlei Konflikte zur Genüge

Auch in Stuttgart kennt man Konflikte zur Genüge. „Das Amt für öffentliche Ordnung erreichen täglich Meldungen über Vorfälle mit Hunden“, erklärt Martin Thronberens, ein Sprecher. Jährlich würden rund 1000 Fälle gemeldet – vom Anbellen bis zu Bissen. Die Tiere würden dann durch den städtischen Vollzugsdienst überprüft. Bei aggressiven Hunden werde etwa ein genereller Leinenzwang angeordnet. „Handelt es sich lediglich um ein Anbellen, wird dem Hundehalter ein Hinweis zugeschickt, dass dies für Passanten belästigend wirken kann“, sagt er. Verwaltungsrechtliche Maßnahmen seien nicht möglich, wenn vom Hund keine Gefahr ausgehe.

Ob von dem Dürrlewanger Hund eine echte Gefahr ausgeht, ist unklar. Felix hat seither jedenfalls Angst und fragt regelmäßig nach dem „bösen Hund“. Zwar kann er aktuell nach einer OP nicht radeln, dennoch fordert er seine Mama auf: „Du musst den Hund knipsen und zur Polizei gehen.“ Die fragt sich, was sie tun soll. Einen anderen Schulweg suchen, eine andere Uhrzeit, das Auto nehmen? „Uns begegnen auf dem Weg über die Felder täglich viele Vierbeiner, und bei 99 Prozent gibt es keinerlei Problem“, betont Hermine Stotz. Aber jene, die ihre Verantwortung nicht wahrnehmen, dürfe keine Verwaltung gewähren lassen, mahnt sie und fordert rasche Reaktionen und Konsequenzen, „sonst haben wir einen rechtsfreien Raum“. Für Felix wünscht sie sich, dass er weiter Gutes mit Tieren verbindet. Sie weiß aber: „Einmal negativ macht 150-mal positiv kaputt.“