Sportvereine und Schulen in Stuttgart werden ausgebremst. Etliche Hallen sind marode oder nicht wettkampftauglich. Ein neues Papier der Stadt zeigt nun: Die Filderbezirke sind besonders betroffen, allen voran Stuttgart-Birkach.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Filder - In städtischen Statistiken gibt Birkach kein gutes Bild ab: Erst vor wenigen Wochen wurde im aktuellen Jahresbericht der Stadt Stuttgart deutlich, dass Birkach fast am schlechtesten dasteht, was Betreuungsplätze für Kinder angeht. Lediglich Unter-, Obertürkheim und Wangen haben noch weniger Kitaplätze. Nun bildet Birkach in einer neuen Untersuchung von allen 23 Stadtbezirken sogar das Schlusslicht; dieses Mal geht es um Sport-, Turn- und Gymnastikhallen.

 

Degerloch steht am besten da

Als Sporthallen werden Gebäude bezeichnet, die groß und hoch genug sind, dass dort auch auf Wettkampfbasis alle Ballsportarten ausgeübt werden können. Turn- und Gymnastikhallen sind kleiner. Und mit null Sporthallen, zwei Turnhallen und null Gymnastikhallen werden in Birkach lediglich 42,6 Prozent des Hallenbedarfs abgedeckt. Zum Vergleich: Im gesamten Stadtgebiet gibt es 36 Sporthallen, 117 Turnhallen und 49 Gymnastikhallen, was einer Bedarfsdeckung von 75,6 Prozent entspricht. In der Untersuchung wird auch deutlich: Bis zum Jahr 2030 dürfte sich die Situation in Stuttgart nicht verbessern– im Gegenteil.

Von den Filderbezirken hat Degerloch die besten Voraussetzungen: Dort besteht mit zwei Sporthallen, fünf Turnhallen und zwei Gymnastikhallen eine Bedarfsdeckung von 126,4 Prozent. Das liegt auch daran, weil dort gerade viel passiert: Die TSG Stuttgart hat im März ihre neue Kampfsporthalle auf der Waldau eröffnet, der HTC hat für die kalten Wintermonate eine Traglufthalle für Tennisspieler in Hoffeld aufgebaut. Und gegenüber der Stadtbahnhaltestelle Waldau entsteht bis Herbst 2020 eine 3500-Quadratmeter-Halle, die in drei Teile gegliedert werden kann. Außen sind weitere 6300 Quadratmeter für Sportflächen und einen Actionplatz vorgesehen.

Birkach bildet das Schlusslicht

Zwar längst nicht so gut wie Degerloch, aber verhältnismäßig immer noch akzeptabel steht Sillenbuch mit 79,5 Prozent Bedarfsdeckung da. Dort gibt es zwei Sporthallen und drei Turnhallen. Vaihingen erreicht mit drei Sport-, acht Turn- und drei Gymnastikhallen eine Bedarfsdeckung von 68,2 Prozent. In Möhringen gibt es eine Sport-, sechs Turn- und zwei Gymnastikhallen, was einer Bedarfsdeckung von 60,6 Prozent entspricht. Unmittelbar danach folgt mit 60,4 Prozent Plieningen. Dort gibt es eine Sporthalle und zwei Turnhallen. Das Schlusslicht bildet Birkach.

Ulrich Fellmeth-Pfendtner, den Vorsitzenden des TSV Birkach, überrascht dies wenig: „Ich wusste bisher zwar nicht, dass wir die Spitze des Eisbergs bilden, aber dass Birkach im hinteren Bereich ist, war klar.“ Der zweitkleinste Stadtbezirk hat keine einzige wettkampftaugliche Halle, etliche Vereinssportler müssen in die Wolferhalle in Plieningen oder die neue Sporthalle neben der Grundschule in Riedenberg ausweichen, was jedoch gerade jüngere Mitglieder vor Probleme stellt. „Für uns ist dennoch klar: In Birkach kann keine neue Sporthalle gebaut werden, es gibt keinen Platz“, sagt Fellmeth-Pfendtner. Stattdessen setzen die Sportler darauf, dass hinter dem Sportplatz im Wolfer in Plieningen eine zusätzliche Sporthalle gebaut wird, die dann auch von Birkacher Sportlern mitgenutzt werden kann.

Jüngere Sportler können nicht so weit fahren

Auch Dietmar Hauber, Handballtrainer bei den Stuttgarter Kickers, ist wenig überrascht, dass die Filderbezirke insgesamt eher schlecht dastehen. Er hat sich im Bürgerhaushalt für eine zusätzliche Sporthalle in Möhringen stark gemacht. Zwar landete der Vorschlag nur auf Platz 1117, doch knapp 400 Menschen haben ihn als gut bewertet und kommentiert, darunter die Schulleiterin des Königin-Charlotte-Gymnasiums Andrea Funke-Fuchs und die Basketballer des SV Möhringen.

In Möhringen ist nur eine Halle wettkampftauglich: Die Rembrandthalle auf dem Gelände des Königin-Charlotte-Gymnasiums. Doch diese ist an mehreren Stellen marode. In den kleineren Hallen trainieren zum Beispiel die jüngeren Handballer, doch auch dort gibt es laut Dietmar Hauber keine freien Kapazitäten mehr. „Es gibt keine Chance, irgendwo reinzukommen. Die älteren Handballer weichen deshalb bereits auf Hallen in Vaihingen und Sillenbuch aus, doch die Kleinen können nicht so weit zum Training fahren“, sagt er.

Stadt will bis 2030 die Situation deutlich verbessern

Was in der Untersuchung auch deutlich wird: Das Sportamt sieht Bedarf für eine dritte Eishalle auf der Waldau. Erst vor wenigen Tagen haben die Ergebnisse des Bürgerhaushalts gezeigt, dass die Menschen dies genauso sehen: Der Wunsch nach einer dritten Eishalle hat es auf Platz drei von allen Ideen stadtweit geschafft. Vom Sportamt heißt es: „Die Eiswelt wird von rund 130 000 Besuchern pro Saison stark frequentiert. Seit geraumer Zeit sind die Nutzungszeiten ausgeschöpft, alle Vereine stoßen an ihre Grenzen.“ Zusätzlich zu den Hobby-Eisläufern werden die zwei Eishallen von sechs Vereinen, Schulklassen und dem Leistungszentrum Eissport genutzt.

Um die Hallensituation in Stuttgart zu verbessern, hat das Sportamt in seinem Papier mehrere Lösungsansätze formuliert: Unter anderem will man bis zum Jahr 2030 eine Versorgung mit Turn- und Sporthallen von mindestens 90 Prozent erreichen. Die Verwaltung soll dafür den Auftrag erhalten, ein Hallenkonzept zu erstellen, auch mit innovativen Lösungen wie etwa zweistöckigen Hallen. Um die Situation rasch zu verbessern, soll zudem geprüft werden, in welchem Umfang zusätzliches Personal bei den jeweiligen Ämtern erforderlich ist. Doch ob dies so passieren wird, steht freilich noch in den Sternen.