Bei Mode Rauh in Filderstadt-Harthausen gibt es das Outfit komplett mit Tasche, Schal und Schuhen. Bald muss es heißen: gab. Denn Sieglinde Rauh schließt ihr Geschäft. Damit verliert Harthausen eine für Damen nicht unwesentliche Adresse.

Harthausen - In manchen Ortsteilen sind die Menschen froh, wenn sie noch einen Bäcker oder einen Metzger haben. In Filderstadts Stadtteil Harthausen geht das Angebot weit über das Stillen von Grundbedürfnissen hinaus, denn dort gibt es seit fast 50 Jahren das Modehaus Rauh – noch. Voraussichtlich im September schließt es endgültig.„Früher hätte ich mir niemals vorstellen können, in Harthausen ein Geschäft zu eröffnen“, sagt Sieglinde Rauh, die Inhaberin des Modehauses. Mit Mode ist Sieglinde Rauh aufgewachsen: „Mein Vater hatte ein Geschäft mit Mützen, Schals und Handschuhen. Er hat alles selbst gefertigt und auch das Haus Hohenzollern beliefert“, erzählt sie.

 

Ein Geschäft wollte sie in Bernhausen, wo sie wohnte, eröffnen. Dann erfuhr sie von einem Laden im oberen Teil der Harthäuser Hauptstraße bei der Bushaltestelle, der frei war und schon lange leer stand. Nach längerem Zögern griff sie im Jahr 1968 schließlich zu und startete das Experiment: „Ausschlaggebend war, dass über dem Laden eine Wohnung war. Die brauchte ich, denn mein Sohn war damals zwei Jahre alt.“

Sie hat sich dann auf Damenmode spezialisiert

Anfangs beging Sieglinde Rauh den Fehler, Kinder, Damen- und Herrenmode zu führen. „Ich habe daraus schnell gelernt. Kinder mögen meist nicht, was ihren Eltern gefällt und umgekehrt. Frauen kaufen ihren Männern allenfalls mal eine Krawatte. Ich habe mich dann nur auf Damenmode führender Hersteller konzentriert.“Als das Geschäft einige Jahre später gut lief und etwas vom Laden entfernt ein größeres Geschäft frei wurde, hatte sie das Glück, als Erste zuzugreifen.

Auf revolutionären Schnickschnack hat Rauh verzichtet. Die Mode musste schick und tragbar sein. „Ich habe immer nur Kombi-Mode angeboten, alles passend mit Taschen, Schuhen und Schal, anders kann man in Harthausen nicht überleben“, lautet ihr Erfolgsrezept. Wichtig sei es ihr immer gewesen, im Gegensatz zu manchen Boutiquen, alle Teile auch in den großen Größen vorrätig zu haben. Außerdem hat sie einen Fehler nie gemacht und aus Unterschätzung der ländlichen Bevölkerung auf allzu Konservatives gesetzt. Diese Kleidung gab es dann im Modehaus Rauh in allen Größen: „Ich habe von den Größen her 36 bis 50. Vor allem die großen Frauen bedauern unter anderem deshalb sehr, dass ich bald schließe.“

Die Kombinierbarkeit hat sich ausgezahlt

Auf Werbung hat Sieglinde Rauh im Laufe der Jahre immer mehr verzichtet: „Wir haben anfangs noch große Modeschauen gemacht, aber die zuverlässigste Werbung war die Mund-zu-Mund-Propaganda.“ Es seien auch Angestellte von Bosch zu ihr nach Harthausen gefahren. Sie hätten gesehen, dass sich die Kombinierbarkeit auszahle und man mit wenigen Teilen mal elegant, mal eher sportlich, mal lässig erscheinen könne. „Auf diese Weise habe ich mir einen großen Kreis von Stammkundinnen erarbeitet.“

Die Konkurrenz unter den Kundinnen hat bisweilen zu skurrilen Situationen geführt. „Eine Frau hat bei mir eingekauft. Als ihre Freundin gesehen hat, was sie da trug, kam sie auch und nahm einiges mit“, erzählt die Inhaberin. „Sie konnte aber ihren Mund nicht halten und erzählte ihrer Freundin, dass sie die Ware bei mir gekauft hatte. Daraufhin rief die Frau an und stellte mich vor die Wahl: Entweder sie als Kundin oder ihre Freundin.“

Der Grund für die Geschäftsaufgabe ist einfach: „Ich höre des Alters wegen auf. In meinem Alter sind andere schon 14 Jahre in Rente“, sagt Sieglinde Rauh.