In Filderstadt hat das einwöchige Themis-Experiment begonnen. Bürger können aus 75 Themenvorschlägen der Parteien und Wählervereinigungen auswählen. Manch einer gewichtet die Dinge völlig anders.

Filderstadt - Das neue Wahlverfahren hat einige Bürger aufhorchen lassen. Sie sind am Montag ins Eduard-Spranger-Gymnasium (ESG) gekommen, um an dem Themis-Experiment der Goethe-Universität Frankfurt teilzunehmen. Von 10 bis 12 Uhr haben im ESG und im zweiten Wahllokal bei der Stadtverwaltung mehr als 30 Bürger ihre Stimmen abgegeben. Noch eine Woche lang können Bürger mitmachen.

 

Bei diesem neuartigen Wahlverfahren, bei dem Themen statt Personen gewählt werden, hat jeder Teilnehmer 30 Stimmen. Die kann er auf 75 Einzelthemen verteilen, die von den im Gemeinderat vertretenen vier Parteien und den Freien Wählern vorgegeben werden. Wer will, kann auch ein Thema mit drei Stimmen bedenken, also kumulieren oder auch panaschieren. Wie bei der Kommunalwahl. Weshalb das neue Wahlsystem auch als eine Verbindung der Schweizer Volksabstimmung und der baden-württembergischen Kommunalwahl gilt.

Den meisten Bürgern schien die Stimmabgabe am Computer richtig Spaß zu machen. Christiane Hofmann, die eine der Ersten war, sagt: „Ich finde es gut, wenn man auch mal andere Wege geht.“ Ihrer Meinung nach sollten die Politiker verstärkt auf die Bürger hören. Deshalb könne die Wahl eine Anregung für die Fraktionen im Gemeinderat sein. „Die Bürger sollten die Themen setzen“, sagt die 51-Jährige aus Sielmingen.

„Ein Input für die Stadträte“

Rainer Strohm vertritt die Auffassung, dass die Themis-Wahl eine gute Gelegenheit für Bürger ist, zu sagen, wo die Reise hingehen soll. „Die Meinungen können dann von den Kommunalpolitikern aufgenommen werden“, sagt er. „Das ist ein Input für die Stadträte“, sagt der 78-Jährige, der schon mehr als 50 Jahre CDU-Mitglied ist. Strohm ist ein Anhänger der repräsentativen Demokratie. Er glaubt daran, dass die Politiker, die er gewählt hat, auch seine Interessen vertreten.

Wenn er jedoch auf die Liste seiner Partei schaut, sieht er einige Themen, die er nicht so hoch ansetzen würde wie die CDU. „Der Ausbau der B 27 ist mir nicht so wichtig“, sagt er. Der steht bei der CDU auf Platz drei. Auch den bedarfsgerechten Ausbau von qualitativ hochwertigen Kindertageseinrichtungen sieht er auf einem Platz in der Mitte der Liste als zu hoch bewertet.

Die Zeit, die für die Abstimmung vorgesehen ist, scheint den Teilnehmern nicht immer zu reichen. 20 Minuten halten die Uni-Mitarbeiter für ausreichend. „Ich konnte nicht alles beantworten“, sagt eine Rentnerin, die anonym bleiben will. Ihr Mann sitzt deutlich länger am Computer. „Eine halbe Stunde braucht man mindestens“, sagt seine Ehefrau.

„Kein Ausrutscher auf der Liste“

Christiane Hofmann kommt nach Beendigung ihrer Abstimmung zu dem Schluss, dass der Unterschied bei den Themen, die von den Parteien gesetzt werden, nicht sehr groß ist. „Offenbar läuft es in Filderstadt schon recht gut“, sagt sie. „Es ist kein Ausrutscher auf den Listen“, sagt sie und meint damit vor allem rechtsradikale Themen, mit denen sie überhaupt nichts anfangen könne. Auch Jonathan Rinne, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Frankfurt, findet, dass es in Filderstadt gut läuft. Er meint allerdings die Beteiligung am Projekt, „Deshalb haben wir die Stadt ja auch ausgesucht, weil hier die Beteiligungskultur ausgeprägt ist.“