Seit dem Frühjahr streift Reinhard Böcker über die Filderstädter Gemarkung und kartiert die Pflanzenwelt. Dabei hat der Hohenheimer Professor 1200 verschiedene Arten gefunden, darunter auch besondere und seltene – Orchideen zum Beispiel.

Filderstadt - Für einen Laien sind es nur mehr oder weniger gleich aussehende grüne Blätter, die man jetzt auf den Wiesen, am Wegesrand oder im Wald findet. Reinhard Böcker kennt sie alle beim Vor- und beim Nachnamen – sprich ihrer lateinischen Bezeichnung, die aus zwei Worten besteht. „Dactylus glomerata“, sagt der Botaniker und zeigt auf ein Allerweltsgras, das auf einer Wiese neben der Talstraße wächst. Und wenn man dem Professor lauscht, der viele Jahre als Landschaftsökologe und Vegetationskundler an der Universität Hohenheim gearbeitet hat, dann öffnet sich schnell ein kleines grünes Universum, sieht man die Unterschiede im scheinbar Gleichen.

 

Elsbeere und Graslilie

Böcker hat aus Filderstadt ein Schachbrett gemacht. 92 Felder, jeweils 800 mal 800 Meter lang, bilden das Raster für die Kartierung der Filderstädter Pflanzenwelt. Jedes dieser Felder durchstreift der Wissenschaftler, hakt auf einer langen Listen Pflanzenarten ab, wenn er sie entdeckt. Dabei ist Böcker auf so manche Überraschung gestoßen. Negativ war die in Harthausen, wo die Feldflur so ausgeräumt ist, dass er gerade einmal etwas mehr als 120 verschiedene Arten gefunden hat. „Meist waren es nämlich 150 bis 250 Arten – in jedem Rasterfeld wohlgemerkt“. Zu den aus Sicht des Botanikers besten Gebieten gehören das Siebenmühlental, der Bechtenrain, wo er in einem Tümpel sogar den Wasserschlauch gefunden hat, außerdem der Uhlberg und einige Obstwiesen wie die an der Gutenhalde. Positiv waren für ihn die Funde seltener Pflanzen. „Dazu gehören die Elsbeere oder die Graslilie, aber auch Seggen oder das Liebesgras“, begeisterten ihn. Selbst Orchideen wachsen in Filderstadt, darunter das seltene Netzblatt oder Ragwurz-Arten. „Und die Wiesen auf dem Flughafengelände sind artenreicher als Ackerflächen, auf denen gespritzt wird“, ergänzt er.

1200 verschiedene Arten

Auch Neophyten hat er festgestellt. Solche wie das schmalblättrige Greiskraut, das sogar in diesen Herbsttagen mit seinen gelben Blüten am Straßenrand auffällt. „Es stammt eigentlich aus Südafrika, wurde zuerst vor 40 Jahren im Hafen von Bremen entdeckt und breitet sich seitdem entlang der Autobahnen aus“, sagt er. Angenehm für Allergiker: Ambrosia hat der Botaniker nicht gefunden.

Böcker hat im vergangenen Jahr die Flora von Stuttgart herausgegeben. „1,6 Kilogramm Papier, 730 Seiten“, sagt er und schmunzelt dazu ein wenig. Zehn Jahre lang hat er zusammen mit anderen Pflanzenkundlern das Stuttgarter Stadtgebiet in Augenschein genommen und dabei 1820 verschiedene Farn-und Blütenpflanzen gefunden. „Auf Filderstädter Gemarkung haben wir bisher 1200 verschiedene Arten festgestellt“, sagt Böcker, am Ende werden es wohl 1300 sein.

Im nächsten Jahr will Böcker mit seinem Team nochmals über die Filderstädter Markung streifen und Pflanzen kartieren. „Anschließend wird die Flora für Filderstadt erscheinen“, sagt der Wissenschaftler. 1,6 Kilogramm Papier werden es jedoch dann nicht werden.