Bernhausen - Seit Dezember befindet sich Deutschland zum zweiten Mal im Lockdown, und die meisten Geschäfte müssen geschlossen bleiben. Wann sich das ändert, ist noch nicht absehbar. Die Bundesregierung verspricht finanzielle Hilfen für diejenigen, die besonders unter der Pandemie leiden, deren berufliche Existenz bedroht ist. Doch immer wieder hört man Klagen von Gastronomen und Einzelhändlern, dass diese Unterstützung nur verspätet und unter Umständen zu spät ankommt.
Ulrich Straub ist der Inhaber des Bunten Bücherladens in Filderstadt-Bernhausen. Er kann aktuell nur einen Abhol- und Lieferservice anbieten und versucht, sich so über Wasser zu halten. Im März des vergangenen Jahres war eine seiner Mitarbeiterinnen wegen Corona in sogenannter Co-Quarantäne. Das heißt, sie war nicht selbst infiziert, hatte aber engen Kontakt zu einer betroffenen Person gehabt und musste darum zu Hause bleiben. Dafür steht Arbeitgebern und Selbstständigen eine finanzielle Unterstützung zu.
Das Regierungspräsidium sichert eine „schnellstmögliche Bearbeitung“ zu
Konkret geht es um den Paragraf 56 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes. Dieser regelt die Entschädigung des Verdienstausfalls von Arbeitnehmern aufgrund eines behördlich angeordneten Tätigkeitsverbots oder einer Absonderung. „Ich habe das entsprechende Formular im März ausgefüllt und an das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) geschickt“, berichtet Straub. Nun, ein knappes Jahr später, hat er Antwort bekommen. Es ist aber nur eine Art Zwischenbescheid. Das RP bestätigt „den Erhalt des Antrags“. Nach Abschluss der Prüfung werde Straub einen Bescheid per Post erhalten. Darüber hinaus informiert das RP über die Speicherung personenbezogener Daten im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung.
Besonders beeindruckt habe ihn aber die Information, dass sein Anliegen „schnellstmöglich“ bearbeitet werde, sagt Ulrich Straub. Angesichts dessen, dass es allein für einen Zwischenbescheid gute elf Monate gebraucht habe, spricht er sarkastisch von einem „Geschwindigkeitsrekord“ und fügt hinzu: „Wahrscheinlich liegt man schon von Würmern zernagt in einem Sarg, bis die Behörde diesen Antrag bearbeitet.“
Die Anzahl der Anträge ist hoch
Das Regierungspräsidium erklärt auf Nachfrage, dass es sich bei Anträgen auf Verdienstausfallentschädigungen nach Paragraf 56 des Infektionsschutzgesetz nicht um eine Coronahilfe im Sinne einer Soforthilfe handle. Zu der langen Bearbeitungsdauer schreibt die Pressestelle, dass man zu konkreten Fällen keine Auskunft geben könne. Grundsätzlich gelte aber, dass eine Antragstellung über das PDF-Formular deutlich mehr Zeit in Anspruch nehme, weil die Mitarbeiter des RP dann in einem ersten Schritt zunächst alle Daten noch einmal manuell erfassen müssen. Grundsätzlich empfehle man daher, den den Antrag über das Online-Portal https://ifsg-online.de/ zu stellen.
Das RP bearbeitet ausschließlich Anträge auf Verdienstausfallentschädigungen. Doch auch deren Zahl ist hoch. Bis zum 22. Februar waren es insgesamt 26 884 Forderungen, und zwar sowohl von Arbeitgebern als auch von Selbstständigen. Die Frage, wie lange es durchschnittlich dauere, solch einen Antrag zu bearbeiten, beantwortet das RP nicht. Denn das variiere stark und hänge von der Vollständigkeit der ausgefüllten Unterlagen und Anlagen ab. Zudem würden Bearbeitungszeiten nicht erhoben werden. Bis zum 22. Februar habe das RP 4246 Anträge und 4 626 089,50 Euro bewilligt.
Ulrich Straub können diese Antworten nicht zufriedenstellen. „Bei mir geht es um keinen entscheidenden Betrag. Aber es ist unfassbar, dass das so lange dauert. Der Antrag ist doch keine komplizierte Geschichte“, sagt er. Viele würden auf die finanzielle Unterstützung warten. Für viele Betriebe sei es existenziell, dass das Geld komme, und mit jeder weiteren Woche Lockdown werde es dringender. „Aber das System tut einfach nicht so, wie es soll“, sagt Straub.