Ridley Scotts lang erwartete Vorgeschichte zur „Alien“-Saga enttäuscht. Über weite Strecken wirkt „Prometheus“ wie das ungeschickte Machwerk von einem, der zwar viele Mittel, etliche Talente und enorme Ambitionen hat, aber das Original nicht begriffen hat.

Stuttgart - Was war das für ein Erwachen! Als der Erzfrachter Nostromo 1979 in Ridley Scotts „Alien“ ein Notsignal empfing, das automatische Kursprogramm abbrach und seine Besatzung aus dem Tiefschlaf holte, da weckte er zugleich die Science-Fiction im Kino aus ihren Kindergartenträumen.

 

Wir fanden uns da in einer ganz anderen Welt als der von „Star Wars“, einer glaubhaften Zukunft, in der das Handeln der Menschen auf ökonomischen Grundlagen fußte, in der die Raumschiffe gewinnorientierten Konzernen gehörten, in der die Figuren nicht durch ein Abenteuer tollten, sondern an ihren Arbeitsplätzen standen. Wenn hier etwas Gefährliches zu tun war, dann fragten die renitenten Pragmatiker an Bord nach der Bonuszahlung.

So blechächzend vorstellbar hat Scott damals die Nostromo samt Besatzung auf die Leinwand gebracht, dass alles Fantastische im weiteren Geschehen von dieser Glaubwürdigkeit profitierte und uns quasi mit Vorstellbarkeitszertifikat ansprang, auch jene diverse Metamorphosen durchlaufenden außerirdischen Parasiten, die bald an Bord geschleppt wurden und aus dem Versteck der Kabel- und Luftschächte heraus Jagd auf die Menschen machten.

Viele „Alien“-Elemente wirken wie verkorkste Plagiate

Als Parabel auf die bleibende Verletzlichkeit des Menschen auch im Panzer seiner Technologie und seines Wissens ist „Alien“ vielfach interpretiert worden, ist ein Steinbruch der Ideen und Designs für andere Filme geworden, hat selbst mehrere Fortsetzungen bekommen, deren Regisseure sich alle Mühe gaben, dem Ursprungsfilm gerecht zu werden. Aber die funktionale Schlankheit von „Alien“, die proletarische Deftigkeit, den vorzeitlichen Schrecken angesichts einer Macht im Dunkeln, die Präzision der Erzählung und Motivführung, die Wucht der Überraschungen und die vielfältige Symbolik hat keine der Fortsetzungen erreicht.

Dass der meist für Hollywood arbeitende Brite Ridley Scott selbst an einem weiteren „Alien“-Film tüftelte, hat daher über Jahre das Vorfreudeflämmchen bei Freunden zumindest des fantastischen Kinos hell brennen lassen. Scott, der ab und an danebenlangt, aber einige der einflussreichsten Filme der Moderne gedreht hat, neben „Alien“ wären da „Blade Runner“ und „Thelma & Louise“ zu nennen, würde vielleicht nicht das wichtigste Werk seiner Karriere vorlegen. Aber er würde einen besonders interessanten Teil der „Alien“-Saga abliefern, so viel schien gewiss.

Aber „Prometheus“ ist erstaunlicher-, nein, schon schockierenderweise genau das nicht geworden. Über weite Strecken wirkt dieses in 3-D gedrehte Prequel, also die Vorgeschichte zum bislang Erzählten, wie das ungeschickte Machwerk von jemandem, der zwar viele Mittel, etliche Talente und enorme Ambitionen hat, aber das Original, dessen Qualitäten und Subtexte nicht begriffen hat. So tauchen denn viele Elemente von „Alien“ nur noch wie verkorkste Plagiate in „Prometheus“ auf.

Auf dem Zielplaneten warten gloriose Mordbestien

Die titelgebende Prometheus etwa ist ein Forschungsschiff der Weyland Corporation, in geheimer Mission im All unterwegs, um den vermuteten Ursprung der Menschheit und eine Heilquelle für den todkranken Firmenchef zu finden. Wieder haben wir intellektuelle Weißkittel an Bord und eher raubeinige Glücksritter. Letztere aber wirken diesmal, als hätte man die zu jeder Art Gemeinschaft untauglichsten Gewalttäter aus einem Straflager der Zukunft an Bord genommen. Es bleibt Scotts Geheimnis, warum Weyland eine so absurde Personalpolitik betreiben sollte.

Die Forscher (unter anderen Noomi Rapace) geben aber keine bessere Figur ab. Schon auf der Erde poltern sie stapfbeinig an frisch entdeckte archäologische Ausgrabungsstätten wie ungeduldige Zirkusbesucher, die sich einen Platz weit vorne sichern wollen. Die spätere Methodik und Disziplin beim Betreten unbekannter Gebäude auf fremden Planeten entspricht denn auch jener beim Kindergartenausflug auf den Waldspielplatz. Kaum sagt die Sauerstoffanzeige, dass die Luft vielleicht theoretisch atembar sei, wird der Helm abgenommen und tief durchgeatmet. Später werden im Hangar der Prometheus dann aber die Räder der Fahrzeuge abgeflammt, damit keine Keime an Bord kommen. Kein Schädel ist groß genug, um all das Kopfweh auf einmal bekommen zu können, das „Prometheus“ uns aufdrängt.

An ihrem Zielplaneten warten natürlich die gloriosen Mordbestien der bisherigen „Alien“-Filme auf die Menschen. Nur wirkt der analoge Effekt zum ersten „Alien“ diesmal ganz und gar verheerend. Alles zuvor war schon so unglaubwürdig, dass nun auch die hungrigen Monster nur als eine Albernheit mehr erscheinen.

Am besten kommt noch Michael Fassbender als Android davon. Der von ihm gespielte intelligente Maschinenmensch empfindet die Reise zum Menschheitsursprung auf seine Weise spannend. Sollten die Menschen sich als von fremder Hand designt erweisen, wäre er damit gleichwertiger. Aber solche Motive und Ideen tippt Scott nur an. Er bekommt zwar hie und da ein paar wunderschöne, ja, majestätische Bilder hin, aber die machen einem nur umso bitterer bewusst, was „Prometheus“ hätte sein können.