Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Ultras sind, wenn es gut geht, ein Teil der Seele eines Vereins. Und was sie in München bei den Bayern bedeuten, wo es mit der Seelenhaftigkeit im hyperkapitalistisch durchstrukturierten Monumentalgefüge öfter nicht ganz so weit her ist, kann man auch daran sehen, dass jeder Zuschauer in der immer ausverkauften Riesenarena unten die Spieler Wort für Wort Anweisungen geben hört, wenn die Ultras gerade keine Stimmung machen. Heute, gegen Nürnberg, wird das wegen der Drehkreuze wieder so sein: relative Stille im Stadion. Geld ruft eben nicht unbedingt originell nach Toren. Geld will auch nicht unbedingt groß in Clubgeschichte denken (außer, es geht um Titel). Geld will schnellen Erfolg, jetzt.

 

Im September 2009 jedenfalls bastelten die Ultras eine sehr würdige Choreografie zum 125. Geburtstag von Kurt Landauer: „Der FC Bayern“, stand oberhalb seines Schwarz-Weiß-Porträts in der Südkurve, „war sein Leben. Nicht und niemand konnte dies ändern!“ Es ging gegen Köln damals, und es gab nicht wenige auf der Tribüne, die sagten: „Kurt – wer?“ Dann aber zog der Verein nach und setzte sich posthum für Landauer ein. Uli Hoeneß zum Beispiel war der Schirmherr, als der jüdische (aber auch für Nicht-Juden offene) Club TSV Maccabi München in Riem 2010 den Kurt-Landauer-Platz in Betrieb nahm, und auch in der neuen „Erlebniswelt“ des FC Bayern findet sich ein einigermaßen würdiges Eck für jenen Mann, der den Bayern die erste deutsche Meisterschaft mitbeschert hat. Das war 1932 (gegen Eintracht Frankfurt in Nürnberg), und natürlich spielen die Szenen drum herum eine große Rolle für den Film von Hans Steinbichler.

Der FC Bayern tourt über die Dörfer

Der Regisseur, den man vor allem durch „Hierankl“, „Winterreise“ und wirklich besondere „Polizeiruf“-Folgen mit Matthias Brandt kennt, hat in den letzten Drehtagen von „Landauer“, wie der Arbeitstitel heißt, ein Heimspiel. Links ist der Hof seiner Tante, rechts sein alter Schulweg, und mittendrin findet ein seltsames Fußballspiel statt. Zwei Jahre nach dem Krieg tourte der FC Bayern über die Dörfer, um die Spieler fürs Derby daheim mal richtig satt zu bekommen – in München gab’s ja nichts. Fußball gegen Fleischkäs also, und es bewahrheitet sich augenscheinlich wieder, was im Drehbuch ein Bayern-Spieler dem anderen zuraunt, als sie über den zurückgekehrten Landauer spekulieren: „Der Jud’“ – den Josef Bierbichler spielt – „wird’s schon richten . . .“. Hans Steinbichler sagt, dies sei der Satz, von dem aus er denke. Kurt Landauer bleibe der Jude, nicht der – verschlissenes Wort, aber im Kern ja schon richtig – Sportskamerad. Immer der Jude, immer der Andere.

Ausgerechnet darüber wollte Kurt Landauer von Anfang an hinaus, als er zunächst 1901 als Spieler zu den Bayerns stieß, um später – die großbürgerlichen Eltern hatten ein Modehaus an der Kaufingerstraße, er selber übernahm dort als Kaufmann – erstmals Präsident zu werden. Der FC Bayern, nebenbei gesagt hauptsächlich von Preußen gegründet, war – im Gegensatz zum TSV 1860 München – eher ein Akademikerclub, international besetzt und interessiert. Landauer holte 1913 sofort einen englischen Trainer, William Townley.

Vier seiner Geschwister sterben im KZ

Zwischen den letzten beiden Amtszeiten sitzt er in Dachau im Konzentrationslager, kommt frei und flieht in die Schweiz. Vier seiner Geschwister sterben im KZ. Dennoch kehrt Landauer 1947 nach Deutschland und nach Bayern zurück. Noch einmal führt er den FC Bayern. „Kurt Landauer“, sagt Karl-Heinz Rummenigge später am Gasthaustisch, „ist eine Säule unseres Vereins.“ Warum das so lange unbemerkt blieb auf den höheren Etagen im Club, fügt Rummenigge hinzu, sei ihm „auch ein Rätsel“. Zumal die Geschichte eine „positive Konnotation“ habe.

Gewissermaßen mit der Nase draufgestoßen, um wen es sich bei Kurt Landauer handelt, haben den FC Bayern im Übrigen ausgerechnet die Ultras, „mit denen wir ja auch Probleme haben“, wie Rummenigge einräumt. Die neusten Probleme sind die, dass der Verein extra Drehkreuze beim Einlass für die Stehplätze installiert hat.

Die Sache mit den Drehkreuzen

Ultras sind, wenn es gut geht, ein Teil der Seele eines Vereins. Und was sie in München bei den Bayern bedeuten, wo es mit der Seelenhaftigkeit im hyperkapitalistisch durchstrukturierten Monumentalgefüge öfter nicht ganz so weit her ist, kann man auch daran sehen, dass jeder Zuschauer in der immer ausverkauften Riesenarena unten die Spieler Wort für Wort Anweisungen geben hört, wenn die Ultras gerade keine Stimmung machen. Heute, gegen Nürnberg, wird das wegen der Drehkreuze wieder so sein: relative Stille im Stadion. Geld ruft eben nicht unbedingt originell nach Toren. Geld will auch nicht unbedingt groß in Clubgeschichte denken (außer, es geht um Titel). Geld will schnellen Erfolg, jetzt.

Im September 2009 jedenfalls bastelten die Ultras eine sehr würdige Choreografie zum 125. Geburtstag von Kurt Landauer: „Der FC Bayern“, stand oberhalb seines Schwarz-Weiß-Porträts in der Südkurve, „war sein Leben. Nicht und niemand konnte dies ändern!“ Es ging gegen Köln damals, und es gab nicht wenige auf der Tribüne, die sagten: „Kurt – wer?“ Dann aber zog der Verein nach und setzte sich posthum für Landauer ein. Uli Hoeneß zum Beispiel war der Schirmherr, als der jüdische (aber auch für Nicht-Juden offene) Club TSV Maccabi München in Riem 2010 den Kurt-Landauer-Platz in Betrieb nahm, und auch in der neuen „Erlebniswelt“ des FC Bayern findet sich ein einigermaßen würdiges Eck für jenen Mann, der den Bayern die erste deutsche Meisterschaft mitbeschert hat. Das war 1932 (gegen Eintracht Frankfurt in Nürnberg), und natürlich spielen die Szenen drum herum eine große Rolle für den Film von Hans Steinbichler.

Der FC Bayern tourt über die Dörfer

Der Regisseur, den man vor allem durch „Hierankl“, „Winterreise“ und wirklich besondere „Polizeiruf“-Folgen mit Matthias Brandt kennt, hat in den letzten Drehtagen von „Landauer“, wie der Arbeitstitel heißt, ein Heimspiel. Links ist der Hof seiner Tante, rechts sein alter Schulweg, und mittendrin findet ein seltsames Fußballspiel statt. Zwei Jahre nach dem Krieg tourte der FC Bayern über die Dörfer, um die Spieler fürs Derby daheim mal richtig satt zu bekommen – in München gab’s ja nichts. Fußball gegen Fleischkäs also, und es bewahrheitet sich augenscheinlich wieder, was im Drehbuch ein Bayern-Spieler dem anderen zuraunt, als sie über den zurückgekehrten Landauer spekulieren: „Der Jud’“ – den Josef Bierbichler spielt – „wird’s schon richten . . .“. Hans Steinbichler sagt, dies sei der Satz, von dem aus er denke. Kurt Landauer bleibe der Jude, nicht der – verschlissenes Wort, aber im Kern ja schon richtig – Sportskamerad. Immer der Jude, immer der Andere.

Ausgerechnet darüber wollte Kurt Landauer von Anfang an hinaus, als er zunächst 1901 als Spieler zu den Bayerns stieß, um später – die großbürgerlichen Eltern hatten ein Modehaus an der Kaufingerstraße, er selber übernahm dort als Kaufmann – erstmals Präsident zu werden. Der FC Bayern, nebenbei gesagt hauptsächlich von Preußen gegründet, war – im Gegensatz zum TSV 1860 München – eher ein Akademikerclub, international besetzt und interessiert. Landauer holte 1913 sofort einen englischen Trainer, William Townley.

Landauer will nichts als nach oben

Der Regisseur Hans Steinbichler sagt, er habe keinesfalls vorgehabt, Landauer „zu glorifizieren“, sondern wolle einen Menschen in seinen Widersprüchen zeigen. Überhaupt komme er ihm vor allem als „echter Bayer“ vor: ein athletischer, doch schwerer Mann, den man eher bei den Ringern einsortiert hätte. Aus Religion machte sich Landauer nichts, aß gut und gerne Schweinsbraten und nahm zu Spielen (eine Masche, die Franz Beckenbauer später weiterstricken sollte) gerne im Pelzmantel in der ersten Reihe Platz. Politisch war Landauer nationalkonservativ, im Ersten Weltkrieg kämpft er an der Somme und bekommt das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Und er will nichts als nach oben mit dem Club, der 1932 Meister wird, mit Berufsfußballern. Landauer plant und zahlt. Dann muss er das Land verlassen.

Ein Mal sieht man sich wieder, der FC Bayern und sein Ex-Präsident, das ist in Zürich, im November 1943, als die Münchner ein Freundschaftsspiel gegen die Schweizer Nationalmannschaft bestreiten. Landauer will wenigstens Conny Heidkamp die Hand geben, seinem Kapitän von 1932. Aber die Gestapo lässt Heidkamp nicht aus den Augen.

Rein äußerlich kehrt Landauer als Sieger heim

Natürlich macht Steinbichler daraus eine Filmszene. Ducken oder nicht? Steinbichler sagt, er hätte wohl auch getan, was Heidkamp tat: nichts. Heute sind wir klüger. Und mutiger, ohne es wirklich sein zu müssen. Wer richtet?

Hauptsächlich geht es in „Landauer“, dem Film, um die Rückkunft von einem Mann, der nicht glauben mag, dass man ihm, dem schon alles genommen worden ist, auch noch seinen Club wegnehmen kann. Rein äußerlich kehrt er als Sieger heim. Er macht seinen Frieden mit Heidkamp, der den Verein zusammengehalten hat, und steckt die Wiedergutmachungszahlungen in den Erwerb eines Platzes an der Säbenerstraße, heute der Sitz von Bayerns Großzentrale. Und Landauer kann vergeben. Anders als die Sechzger, die ein Naziverein geworden waren, hat der FC Bayern keine Altlasten. Nach München-Giesing hin jedoch reicht Landauer trotzdem seine Hand. Mag sein, das war den Bayern zu versöhnlerisch. 1951 wird Landauer auf einer turbulenten Hauptversammlung abgewählt. Er meint zu verstehen. Der Jud’ hat seine Schuldigkeit getan, der Jud’ kann gehen? Hans Steinbichler will da nicht unbedingt widersprechen, aber man wird erst sehen müssen, was er aus der Geschichte gemacht hat.

Ein bisschen Liebesgeschichte

Film und Leben von Kurt Landauer können sich ein bisschen in eine Liebesgeschichte retten. Landauer heiratet seine bayerische Haushälterin Maria Baumann, das kleine Glück hält. 1961 stirbt Landauer und liegt in Schwabing begraben. Die letzten zehn Jahre ist er dem Fußball und dem FC Bayern aus dem Weg gegangen.

Jetzt sieht man natürlich noch einmal das Plakat vor sich: „Der FC Bayern war sein Leben. Nichts und niemand konnte das ändern.“ Tja.

Wenn es sich irgend ausgehe, hat Karl-Heinz Rummenigge Regisseur Hans Steinbichler versprochen, dann werden die Profis das Schauspielerteam mit ins Stadion auf den Rasen nehmen, obwohl dem neuen Trainer Pep Guardiola, wie man hört, die Werbe-, Goodwill- und Benefiz-Aktionen der Bayern langsam professionell auf die Nerven gehen. Andererseits ist die Geschichte von Kurt Landauer im erweiterten Sinn nie wirklich zu Ende oder vorbei („vorbei, ein dummes Wort“, wie Goethe fand), solange in der vordergründig ja eigentlich immer friedlichen Stadt München etwas passiert wie letzten Sonntag in der Arena. Folgendes:

„Uhuhuh! Schwarze Sau! Nigger!“

Das bekam, bis der Stadionsprecher mit Drohungen einschritt, aber auch noch danach aus Block 132 in der Nordkurve der Arena der dunkelhäutige Ingolstädter Fußballer Danny da Costa zu hören beim Auswärtsspiel gegen 1860 München. Block 132 versammelt seit jeher ein äußerst befremdliches Gemisch von Leuten, die teils aus der rechtsradikalen Szene kommen und Obiges für „Folklore“ halten. Das ist beileibe kein Problem von 1860 allein, nur ein Beispiel von vor Ort.

Danny da Costa, Sohn eines Angolaners und einer Kongolesin, ist 1993 in Neuss geboren worden und hat in Leverkusen Abitur gemacht, wo Bayer 04 ihn ausbildete und nach Ingolstadt auslieh. Von 17 Jahren an hat Costa im Nachwuchs der Deutschen Fußballnationalmannschaft gespielt.

Keine Fragen mehr, aber auch keine Antworten.