Ein Dokumentarfilm des Regisseurs Klaus Gietinger spürt den Hintergründen und Widersprüchen von Stuttgart 21 nach. Er ist in Kinos in der Region zu sehen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 hat der Landeshauptstadt über Jahre hinweg viel Beachtung von außen eingebracht. Bei den Montagsdemos – mittlerweile mehr als 630 Mal veranstaltet – treffen sich Gegner des Projekts weiterhin mit großer Beharrlichkeit. Aber die bundesweite Aufmerksamkeit für das Vorhaben hat spürbar nachgelassen, außer es stehen wieder eine Kostensteigerung oder eine Verschiebung des Eröffnungstermins ins Haus. Ein Kinofilm soll nun sicherstellen, dass die Entstehung des Projekts nicht gänzlich dem Vergessen anheimfällt.

 

Offene Worte des Ex-Bahnchefs

Der Regisseur Klaus Gietinger, bekannt für seinen Film „Daheim sterben die Leut’“, der aber auch mehrere Tatort-Folgen und die Kinderwissenssendung „Löwenzahn“ verantwortete, sagt über seine 90-minütige Dokumentation „Das trojanische Pferd“, es handle sich um „die erste abendfüllende Chronik eines Politikversagens“. Besondere Aufmerksamkeit widmet der 67-Jährige einem Gesprächsausschnitt von Heinz Dürr, der Bahnchef war, als 1994 die Idee zu Stuttgart 21 aufkam. Dürr sagt, dass es ihm bei dem Vorhaben vor allem um die frei werdenden Flächen ging, die eine enorme Chance für die Stadt darstellten. „Und plötzlich ging es allen nur noch um den Bahnhof“, sagt Dürr in dem Gespräch mit Gietinger, das vor rund einem halben Jahr stattgefunden hat. Für den Filmemacher ist klar: „Es geht eben immer nur um Immobilienspekulationen statt um entwicklungsfähige Bahnanlagen.“

Furcht vor Wiederholungen

Trotzdem, so Gietingers Analyse, sei Stuttgart 21 „Vorbild für zahlreiche überteuerte Großprojekte der Bahn“. Stellvertretend nennt er den Neubau des Hamburger Hauptbahnhofs, den in Frankfurt geplanten Fernbahntunnel oder die avisierte Neubaustrecke zwischen Frankfurt und Fulda. Die verlaufe „zu zwei Dritteln in Tunneln. Von Reisekultur ist da nicht mehr zu sprechen.“

Der Film ist spendenfinanziert. „Wir hatten nicht einmal ein Zehntel dessen, was sonst für eine solche Produktion zur Verfügung steht. Das geht nur über Selbstausbeutung“, sagt Gietinger. Der Film wird in Kinos gezeigt, ihn auch Fernsehanstalten anzubieten, darauf hat der Regisseur verzichtet. Er habe lange genug fürs Fernsehen gearbeitet, um zu wissen, welche „Rahmen dort gesetzt werden“. Er freue sich aber, dass sich fast täglich Kinos melden würden, die den Film gerne zeigen möchten. Zunächst wird der Streifen nach seiner Premiere in Stuttgart am Montag in mehreren Kinos in der Region und im Land zu sehen sein.

Schwierige Suche nach Gesprächspartnern

Der schon erwähnte Heinz Dürr kommt darin ebenso zu Wort wie Landesverkehrsminister Winfried Hermann und eine ganze Reihe von Menschen, die schon lange gegen Stuttgart 21 ankämpfen. „Ich habe aber keinen der Befürworter gefunden, der etwas sagen wollte. Und die Bahn hat auf meine Anfrage gar nicht erst reagiert“, sagt Gietinger.

Mehr im Gerichts- als im Kinosaal will Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), kämpfen. Es müsse nun eine Neubewertung der Bahnsituation in Stuttgart durch Bund und Land geben, sagt er. Der Rückbau der oberirdischen Gleisanlagen dürfe nicht kommen. „Der Erhalt des Kopfbahnhofs wäre eine konkrete Maßnahme für den Klimaschutz. Um das zu ermöglichen, werden wir alle juristischen Möglichkeiten nutzen“, kündigt Resch vor der Premiere des Films an. Und Winfried Wolf, dessen erstes Buch gegen Stuttgart 21 fast 30 Jahre auf dem Buchdeckel hat und der als Produzent des Gietinger-Films auftritt, sagt in Anlehnung an eine entsprechende Aussage von Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum Ende der Auflehnung gegen Stuttgart 21: „Der Käs’ isch noch lang net gessa.“

Wo der Film zu sehen ist

Termine
Schorndorf, Kino Kleine Fluchten (Club Manufaktur), Mittwoch, 7. Dezember, 19 Uhr

Stuttgart, Kino Delphi, Montag, 19. Dezember, 18 Uhr