In dem psychologischen Drama „Uns trennt das Leben“ wird ein Bub immer wieder vom Trugbild eines Clowns heimgesucht – ein bedrückender, aber ausgezeichneter Film.

- Stuttgart - Dieses Drama ist alles andere als ein Horrorfilm, doch es gibt immer wieder Momente, bei denen es einem kalt den Rücken runterläuft. Schuld daran ist ausgerechnet ein Clown, eine Figur also, die Kinder in der Regel zum Lachen bringt. Stephen King wusste ganz genau, warum er das namenlose Monster in seinem Roman „Es“ in ein lustiges Kostüm gesteckt hat. In dem bemerkenswerten und mit viel Feingefühl inszenierten Drama „Uns trennt das Leben“, das Drehbuch- und Regiedebüt von Alexander Dierbach, ist der Clown jedoch nur eine Chimäre, ein Trugbild, das den achtjährigen David immer wieder heimsucht.

 

Die entsprechenden Szenen sind alles andere als spekulativ umgesetzt, doch aufgrund Dierbachs intensiver Führung des jungen Jannick Brengel ist das Mitgefühl enorm: Dank der Rückblendenkonstruktion kann man perfekt nachvollziehen, welches Grauen es für den Jungen darstellt, selbst an den vermeintlich sichersten Orten mit dem Clown konfrontiert zu werden.

Frühkindliche Schizophrenie

Anfangs ahnt man davon allerdings noch nichts. Im Prolog wird man nur Zeuge, wie David den Eindringling in seine Welt wahrnimmt. Er wirft einen Stein nach dem Clown, doch das Geschoss trifft die kleine Tine, und zwar so unglücklich, dass sie stirbt. David kommt als vermeintlicher Mörder in eine geschlossene Anstalt. Die Kinderpsychologin Nora (Julia Koschitz) versucht herauszufinden, warum er das Mädchen getötet hat. Für den Anstaltsleiter (Dominick Raacke) ist der Fall klar: frühkindliche Schizophrenie. Wenn das stimmt, würde dies für David fortan ein Leben im medikamentösen Dämmerzustand bedeuten. Nora, schwanger und daher hochsensibel, gibt sich mit der vordergründigen Diagnose nicht zufrieden. Sie ist überzeugt, dass der Junge unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom leidet.

Abgesehen von einem Seitenstrang mit Noras insolventem Freund (Sebastian Ströbel) ist das Personal rund um die beiden Hauptfiguren ausgezeichnet erdacht und besetzt. Eine Schlüsselfigur ist Davids Mutter Constanze (Anneke Kim Sarnau), die das Trauma mit einer unbedachten Bemerkung überhaupt erst ausgelöst hat.

Ein bedrückender Film

Ohne die Frau zu verurteilen, schildert Dierbach vergleichsweise nüchtern, wie ihr Verhalten zur Vernachlässigung des angeblich unter einem Aufmerksamkeitsdefizit leidenden Kindes führt. Constanzes Gegenentwurf ist Sabine (Jasmin Schwiers), die Mutter des toten Mädchens. Mit diesem Strang erzählt Dierbach fast eine eigene Geschichte, denn Sabine und ihr Mann (Tim Bergmann) gehen auf völlig unterschiedliche Weise mit dem Verlust ihres einzigen Kindes um: Während sie um jeden Preis herausfinden will, was geschehen ist, steht er auf dem Standpunkt, dass dies ihre Tochter auch nicht wieder lebendig machen würde.

Ein bedrückender, aber ausgezeichneter Film, der ganz nebenbei mit wenig Worten und dafür umso beredter die allgemeine Sprachlosigkeit thematisiert.

Arte, Freitag, 20.15