Sabine Göbel und Hansl Schulder sind die Bibliothekare der Filmakademie Baden-Württemberg. Sie wachen über deren cineastisches Gedächtnis und beantworten Studenten manchmal auch geduldig Fragen, auf die außer ihnen niemand eine Antwort wüsste.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Es gibt Anfragen, die bekommt wahrscheinlich nur ein Bibliothekar der Filmakademie: „Ich bräuchte mal ein paar Filmszenen, in denen Menschen auf Bahnhöfen warten“ oder „Ich such’ was zum Thema Grün“. In solchen Fällen ist eine Datenbank überfordert. Und man ist schnell bei der Grundsatzfrage, die sich auch schon der Zusammenschluss der deutschen Filmbibliotheken ergebnislos gestellt hat: Wie verschlagwortet man eigentlich Filme? Die Antwort auf die Grundsatzfrage ist erst mal leicht: nicht nach den oben genannten Suchkriterien.

 

Eine Antwort auf die Studentenanfrage ist viel schwerer zu geben. Sie könnte etwa „Stalker“ von Andrej Tarkovsky heißen, ein Film, der in einer unwirklichen Landschaft spielt. Um kompetent zu helfen, braucht es das Filmwissen von zwei Menschen – in diesem Fall das von Sabine Göbel (37) und Hansl Schulder (49). Die beiden sind das Hirn und das Herz der Bibliothek an der baden-württembergischen Ausbildungsstätte für den Filmnachwuchs. Auf die Frage, ob das ein Traumjob sei, antworten beide sehr spontan mit Ja. Die Liebe zum Film ist da unüberhörbar.

Die Bibliothek nahm ihren Anfang in einer Küche

Sabine Göbel, die seit 2005 in Ludwigsburg mit dabei ist, hat sich neben der Ausbildung an der Film- und Medienhochschule jahrelang auf Filmfestivals getummelt. Hansl Schulder kann gar auf eine familiäre Prägung verweisen. Sein Großvater war im kleinen rumänischen Dorf Marienfeld zwar Weinbauer. Aber viel leidenschaftlicher betrieb er das Dorfkino und zeigte dort auch deutsche Filme. Ohne es recht zu wissen, hat sich Schulder als Bub zusammen mit seinem besten Freund durch so ziemlich alle Filmgenres geguckt.

Schulder ist der Gründungsbibliothekar der Filmakademie. 1991 wurde er angefragt, ob er mitmachen wolle. Die Anfänge der Sammlung liegen in Küche und Speisekammer mit drei windschiefen Regalen in einer alten Villa an der Solitudestraße. Die Videokassettensammlung, die Schulder damals begonnen hat, ist noch immer vorhanden. Die heutigen Räume hinter der Glasfront am Akademiehof sind die vierte Heimat der Bibliothek. Hier ergänzen sich das filmische Wissen von Göbel und Schulder seit fast zehn Jahren.

Auch Hollywoodgrößen wie Volker Engel haben hier ausgeliehen

Sie sind eine der Instanzen, bei der sich Studenten jenseits der Unterrichtsstunden Impulse holen können. „Manchmal muss man erst genau herausbekommen, was sie genau suchen“, sagt Sabine Göbel. Es kommen vor allem die Studenten, die mit szenischer Gestaltung zu tun haben. Sie suchen Anregungen und sie finden zugleich Ankerpunkte, wo sie sich in der Filmkunst verorten können. Die Bibliothek sei der Platz für das Eigenstudium und die Theoriearbeit, sagen die beiden Bibliothekare. Man brauche Rüstzeug, wenn man draußen alleine in der Welt der Produktion überleben wolle. Denn die Konkurrenz ist groß. Es gibt viele Absolventen, die bei den Sendern und Firmen um Aufträge kämpfen.

Und wenn man dann fragt, ob auch einer wie der ehemalige Animationsfilmstudent Volker Engel hier Bücher gewälzt hat, dann nickt Schulder und läuft zu einem der vielen Regale und legt ein Standardwerk zu Spezialeffekten vor. „Das hat er immer gelesen“, sagt er. Engel gehört schon lange zu den arrivierten Trickexperten Hollywoods und bekam für seine Arbeit in Roland Emmerichs „Independence Day“ 1997 einen Oscar. „Auch ein Genie lernt von den Vorgängern“ – das ist Schulders Überzeugung. Man muss wissen, was man zitiert.

Es gibt nichts, was man nicht für einen Film brauchen kann

Die Sammelwut der beiden Bibliothekare ist groß. Es gibt so ziemlich nichts, was nicht in einen Film einfließen kann. „Film ist eine Raubtierkunst“, sagt Schulder, „sie frisst alle anderen Künste.“ Deshalb steht in der Bibliothek aus Büchern und Filmen neben Standardwerken aus Malerei, Architektur, Kamerakunst, filmtheoretischen Werken und vielen Reprints von Drehbüchern beispielsweise auch der Kommentar zum Grundgesetz. Ausgemustert wird nichts. „Ein wissenschaftliches Werk wird nicht ungültig“, sagt Göbel. „Hätte man irgendwann die Zombiefilme entsorgt, würden sie uns heute fehlen“, sagt Schulder. Ergänzt wird das regelmäßig durch alle Arbeiten der Filmstudenten. Sabine Göbel kennt sie alle von Anfang bis Ende und hat sie in der Datenbank verschlagwortet.

Seit Kurzem ist die Ludwigsburger Sammlung noch ein bisschen größer geworden. Dafür werden die Räume im Sommer auch erweitert. Denn die Bibliothek hat die Privatsammlung des langjährigen Leiters der Stiftung Deutsche Kinemathek in Berlin aufgekauft. 4000 Bände liegen im Moment noch in Umzugskisten. „Eine echt geile Sammlung“, sagt Schulder.