Thanky Hamutenya hatte schon davon gehört, dass Deutsche ernst und pünktlich sind. Als Stipendiat an der Filmakademie Ludwigsburg hat der namibische Filmemacher dann doch andere Seiten kennengelernt.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Ludwigsburg - Vor zwei Jahren hat das Land Baden-Württemberg die Namibia-Initiative gegründet, um die Diskussion über den Umgang mit Raubgut der Kolonialzeit voranzubringen. Dabei findet auch ein Austausch von Studierenden statt. Der junge Filmemacher Thanky Hamutenya war nun ein halbes Jahr als Stipendiat an der Filmakademie Ludwigsburg.

 

Herr Hamutenya, Sie waren Stipendiat an der Ludwigsburger Filmakademie. Was haben Sie da getan?

Ich war in einer Klasse mit hauptsächlich internationalen Studierenden aus verschiedensten Ländern. Wir hatten Unterricht und mussten zum Abschluss einen Film drehen. Außerdem habe ich über die Namibia Initiative des Landes 4000 Euro für einen weiteren Film bekommen – „LAUF“, einen 15-minütigen Psychothriller. Ich musste also gleich zwei Filme drehen, was nicht ganz leicht war.

Hatten Sie sich bisher für die Geschichte Namibias und den Kolonialismus interessiert?

Als Namibier wachsen Sie immer irgendwie mit der Geschichte des Kolonialismus auf, er ist Teil der eigenen Identität. Man bekommt ständig das Gefühl vermittelt, dass man wegen seiner Herkunft ein Opfer ist und das letztlich auch bleibt. Deshalb wollte ich früher mit dieser Vergangenheit möglichst wenig zu tun haben. Durch meine Liebe zum Kino habe ich aber angefangen, unsere Geschichte anders wahrzunehmen und sie zu schätzen. Im Moment recherchiere ich über die Ovambo-Wanderarbeiter und die Apartheid in Südafrika und plane einen Film über den Herero-Aufstand. Das sind Themen, bei denen ich mir früher nicht hätte vorstellen können, mich intensiver damit zu befassen oder sie gar zu verfilmen.

In Europa wird diskutiert, ob Raubgut aus der Kolonialzeit zurückgegeben werden sollte. Was meinen Sie dazu?

Ich finde, die gestohlenen Objekte sollten auf jeden Fall zurückgegeben werden, aber unbedingt an einen Ort, an dem sie gut betreut werden und der jedem Namibier zugänglich ist. Das ist das größte Problem, wenn diese Objekte in Europa bleiben, dass es sich nicht jeder Namibier leisten kann, nach Europa zu fliegen, um sich die wunderschöne historische Kultur seiner Vorfahren anzuschauen.

Hatten Sie eine Vorstellung von Deutschland oder gar Vorurteile?

Ich kannte das Klischee, dass Deutsche ernst, humorlos und sehr pünktlich sind und Fremde nicht anlächeln. In meiner Jugend wohnten aber einige Deutsche im Rahmen eines Austauschprogramms bei uns, deshalb hatte ich keine Vorurteile – außer der Sorge, die wohl die meisten farbigen Menschen haben, dass man ihnen in Europa mit Rassismus begegnet. Wobei ich nicht glaube, dass alle Europäer Rassisten sind, aber schwarze Schafe gibt es überall.

Haben Sie Rassismus erfahren?

Ja, leider einmal, als ich mit einer Freundin zum Campus ging und ein Mann irgendetwas zu uns sagte. Ich habe es nicht verstanden – und der Freundin war es sehr unangenehm, über den Vorfall zu reden, deshalb habe ich lieber nicht weiter nachgefragt. Aber das war nur eine Person, alle anderen Begegnungen waren sehr positiv.

Wie haben Sie die Deutschen erlebt?

In öffentlichen Verkehrsmitteln oder Läden neigen sie dazu, ihr Ding zu machen, was nicht unbedingt schlecht ist. Sehr gefallen hat mir die Liebe der Deutschen zur Natur und zur Umwelt. Das wusste ich vorher nicht und schätze es jetzt sehr an ihnen. Ich würde mir wünschen, dass die namibische Regierung mehr Parkanlagen bauen würde oder das Recycling so ernst nehmen würde wie die deutsche Regierung.

Was war das Beste an Ihrem Stipendium?

Definitiv die Freunde, die ich gefunden habe, aber auch das Arbeitsumfeld. Ich habe so viel gelernt und es sehr geschätzt, wie offen die meisten über meine Arbeit gesprochen haben, egal ob positiv oder negativ. Ich glaube, es ist ein großartiger Film herausgekommen, weil alle um mich herum leidenschaftlich bei der Sache waren und das Beste für mich und das Projekt wollten.

Was nehmen Sie mit für Ihre Arbeit?

Ich habe gelernt, das Filmemachen mehr zu schätzen, vor allem in einer so anstrengenden Pandemiezeit. Die Dreharbeiten waren extrem hart, und manchmal wollte ich schon aufgeben, aber ich hatte Leute um mich herum, die mich immer wieder ermutigten, weiterzumachen. Künftig werde ich mehr Zeit investieren, um die richtigen Partner für meine Projekte zu finden, anstatt einfach mit irgendwem zu arbeiten.

Deutsch-namibischer Austausch

Person Der 25-jährige Thanky Hamutenya wurde in Namibia geboren und hat in Südafrika Regie und Drehbuch studiert. Er lebt in Windhoek und arbeitet als freier Filmemacher.

Programm Um die Beziehungen zwischen Namibia und Deutschland zu vertiefen und zur Versöhnung beider Länder beitragen, hat Baden-Württemberg vor zwei Jahren die Namibia-Initiative ins Leben gerufen, die mehrere Partnerprojekte vorsieht. So gibt es etwa ein Austauschprogramm zwischen der Pädagogischen Hochschule Freiburg und der Universität von Namibia. An die Filmakademie Ludwigsburg wurden zwei Stipendiaten aus Namibia eingeladen. adr