Das Filmfest in Cannes eröffnet mit Woody Allens romantischer Komödie "Midnight in Paris". Sie ist Allens viertes Cannes-Opening.

Cannes - Sonnenlicht ist unattraktiv", sagt Woody Allen, der es lieber mag, wenn's regnet. Aber in Cannes lacht die Sonne! Festlich gekleidete Gäste entsteigen den Limousinen, um das Schautrippeln zu beginnen, empor zum Entree des Palais über die berühmte rote, mit viel Stehenbleiben und Lachen zu meisternde Treppe. Auch der Eröffnungsfilm verspricht, zum Lachen zu sein, denn sein Regisseur heißt Woody Allen. Der Mann aus New York hat hier, an der Croisette, eine Art Hausrecht: "Midnight in Paris" ist bereits Allens viertes Cannes-Opening - ein Rekord, gegründet auf Routine.

 

Die Routine verrät sich auch im Arrangement der Szenen, im Plot. Jeder Kinofan kann sie durchbuchstabieren, die Verbandelungswirren typischer Allen-Komödien, in denen mehrere Pärchen so lange mit-, gegen- und durcheinandertechteln, bis niemand mehr weiß, wer mit wem fremdging und wer wem warum die Treue hielt. Dieses Amouren-Kaleidoskop schüttelt Woody Allen immer aufs Neue, und wer hineinsieht in die Filme, entdeckt darin eine Fülle jokoser Szenen.

Geplapper und Querbeetflirts

Zuletzt war er mit dem Kaleidoskop gar auf Reisen gegangen, der Ostküsten-Ami mit dem Faible fürs alte Europa. Mindestens London musste es sein, dann Barcelona, jetzt endlich die Traumstadt: Paris. "Wenn ich nicht in New York leben würde, wäre Paris die Stadt, wo ich wohnen wollte", erklärt er und preist Paris als die romantischste aller Städte. Deren Buntbildprospekt blättert er auf, von Moulin Rouge bis zu den Buchläden an der Seine, womit der Tatbestand der Städtewerbung erfüllt ist. Gleich die ersten Filmbilder reihen vertraute Postkarten aneinander; und nur deren Urheber mag annehmen, er zeige nicht Touristenimpressionen, sondern Paris "in my way".

"Ich würde sehr gerne einen Film drehen, in dem es die ganze Zeit regnet", hat Allen einmal bemerkt. Voilà: in Paris lässt er's regnen, und die Sonne lacht nur hie und da, gedämpft wie das Publikum bei der Cannes-Premiere. Der Grund? Allen hatte zunächst nichts als den Titel; dann bewegte er das Pärchenkaleidoskop, gab einem zauseligen jungen Drehbuchschreiber aus Hollywood (Owen Wilson) eine patente Blondine nebst deren indignierten Eltern zur Seite und rührte rasch ein zweites Paar hinein, einen oberschlauen Akademiker plus Gesponsin, was automatisch Geplapper und Querbeetflirts erzeugt.

Waren die zwanziger Jahre das Goldene Zeitalter?

Schließlich kam dem Regisseur, inspiriert vom Titel, doch noch ein echter Geisterstundeneinfall: Wie, wenn der kalifornische Studio Writer im Suff seinen verratenen literarischen Idealen wiederbegegnete, inkorporiert durch Scott Fitzgerald, Hemingway, Gertrude Stein? Gedacht, getan: Eines Nachts tappt der Guy durch die Gassen unterm Montmarte, da lädt ihn ein Zechertrupp ein, eine Oldtimer-Droschke zu besteigen - und der Erste, der sich ihm vorstellt, ist schon Scott Fitzgerald!

Verdattert-staunend lernt der Kalifornier weitere Idole kennen, Hemingway in einer Whisky-Bar, die Stein, die seinen Roman rühmen wird, und eine rauchende Schöne mit Stirnschleierband, die ihm die Sinne vollends verwirrt: Waren die zwanziger Jahre das Goldene Zeitalter? War's die Belle Epoque, die Renaissance? Oder der Surrealismus, Bunuel, Man Ray, Dalâ?

Leute, nutzet die Gegenwart!

Dass es in der Renaissance noch keine Duschen gab, bemerkt der schlaue Akademiker, kurz bevor eine Museumsführerin ihn über Rodin belehrt (Carla Bruni, zierlich, adrett, in einem Nebenröllchen). Aber dass die Belle Epoque kein Air Conditioning kannte, diesen Einwand trägt der Regisseur im Ernst vor, auf einer Pressekonferenz in Cannes. Die Vergangenheit, ruft er entschieden, sei eine Falle - sein Schluss der Komödie daher: Leute, nutzet die Gegenwart! Nicht an das Belle-Epoque-Groupie verliert der Drehbuchschreiber mithin sein Herz, sondern an eine Pariser Trödel-Mademoiselle. Das Geister-Rencontre, war es nicht sowieso eher kurios als umwerfend lustig? Allens Film enthält mehr prominente Stars als Pointen. Aber fotografiert ist er "very warm", wie man es von einem Prospektlichtspiel erwarten darf.