Als Regieneuling braucht man ein dickes Fell: In Cannes wird Ryan Goslings Debüt "Lost River" ausgebuht. In "Deux jours, une nuit" gibt Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard eine Frau im Kampf für Solidarität.

Als Regieneuling braucht man ein dickes Fell: In Cannes wird Ryan Goslings Debüt "Lost River" ausgebuht. In "Deux jours, une nuit" gibt Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard eine Frau im Kampf für Solidarität.

 

Cannes - Der rote Teppich ist der gleiche, aber erstmals stand Ryan Gosling am Dienstagabend nicht als Schauspieler, sondern als Regisseur vor den Objektiven der Pressefotografen. Doch sein Indie-Erstling "Lost River" mit "Mad Man"-Ster Christina Hendricks in der Hauptrolle stieß auf durchwachsene Reaktionen: Etliche Buh-Rufe mischten sich in den Applaus. Der Plot ist aber zugegebenermaßen etwas krude: Hendricks spielt eine alleinerziehende Mutter in einem endzeitlichen Detroit.

Indes bleibt die Kritik an sozialen und gesellschaftlichen Missständen ein beherrschende Thema des Filmfestivals. So fokussierten die belgischen Dardenne-Brüder mit ihrem Wettbewerbsbeitrag „Deux jours, une nuit“ auf den Existenzkampf einer jungen Mutter und zeigten dabei auch eine von Geld, Macht und Selbstverwirklichung getriebene Gesellschaft.

Das Regieduo bewies damit einmal mehr, dass es vor Ungerechtigkeiten nicht die Augen verschließt, sondern benachteiligten Menschen eine Stimme verleiht. Mit ihren Sozialdramen „Das Kind“ und „Rosetta“ gewannen Jean-Pierre und Luc Dardenne in Cannes bereits zwei Goldene Palmen.

Cotillard als Jeanne d'Arc des Arbeitslebens

Im Mittelpunkt von „Deux jours, une nuit“ (Zwei Tage, eine Nacht) steht die Mutter Sandra, gespielt von Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard. Sie hat ein Wochenende Zeit, ihre Kollegen zu überzeugen, auf ihre Bonuszahlungen zu verzichten, damit sie ihren Job behalten kann. Doch das ist erwartungsgemäß nicht einfach. Einige brauchen das Geld selbst dringend, andere sehen schlichtweg nicht ein, etwas abzugeben.

Auch wenn die Ausgangssituation - Bonuszahlungen oder Entlassung - etwas plakativ wirkt und „Deux jours, une nuit“ deswegen nicht dieselbe Wucht wie andere Werke der Dardennes entfalten kann, so sprechen die Regisseure doch erneut wichtige Fragen der heutigen Gesellschaft an: Sandra ist nach einer Depression nicht sofort wieder voll belastbar. Doch muss es nur um Effizienz gehen? Ist der Bau meiner Veranda tatsächlich wichtiger als die Stelle meiner Kollegin? Und warum spielt ein Chef seine Mitarbeiter gegeneinander aus?

„Die Wirtschaftskrise fördert Solidarität sicher nicht“, sagte Luc Dardenne am Dienstag vor der Premiere des Films in Cannes. „Solidarität ist aber auch etwas, dass nicht einfach da ist; es muss erst geschaffen werden.“ Sich Mitmenschen gegenüber solidarisch zu zeigen, sei eine Frage der Moral. „Man kann auch in Zeiten wie diesen solidarisch sein.“

Am Dienstagabend feierte auch das neue Werk von Wim Wenders in der Neben-Sektion Un Certain Regard Weltpremiere. Die Dokumentation „The Salt of the Earth“ stellt das Schaffen des sozialkritischen brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado in den Mittelpunkt. Wenders (68) war schon häufig bei den Filmfestspielen in Cannes vertreten. 1984 gewann der Deutsche mit „Paris, Texas“ den Hauptpreis, die Goldene Palme.