Vom 9. Februar schaut wieder die ganze Filmwelt auf Berlin. Dieter Kosslick, Chef der Filmfestspiele, wünscht sich dabei von den Regisseuren noch mehr politischen Mut.

Berlin - Noch drei Wochen, dann wird Berlin wieder zum Zentrum der ganzen Filmwelt. Seit elf Jahren leitet Dieter Kosslick (63) die Berlinale und hat sie zum Festival des Publikums ausgebaut. Nirgendwo sind die Schlangen vor den Kinokassen länger als in Berlin zur Berlinale-Zeit. Just darin sehen Kritiker einen allzu großen Hang Kosslicks zur Popularität. Dass dies aber weder zur künstlerischen noch zur politischen Bedeutung ein Widersprich sein muss, betont der gebürtige Pforzheimer im StZ-Gespräch.

 

Herr Kosslick, lassen Sie uns über Kino und Politik reden.
Der Bundespräsident lädt die Berlinale dieses Jahr erstmals zu sich ins Schloss Bellevue ein. Meryl Streep wird in einer sensationellen Darstellung von Margret Thatcher zu sehen sein und dafür mit dem Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk geehrt. Kino trifft Politik.

Dabei eröffnen Sie das Festival mit einem Revolutionsfilm!
Ja, und das ist nicht der einzige, in dem etwas über Revolutionen erzählt wird. Wir zeigen mehrere Filme über die Revolution im Maghreb. Filme, in denen man sieht, mit welcher Brutalität in Ägypten gegen die Menschen vorgegangen wurde. Da mag man sich gar nicht ausmalen, was gerade in Syrien vor den Augen der Welt passiert.

Im Eröffnungsfilm geht es um Marie Antoinettes letzte Tage. Ziemlich lange her, oder?
Ja, aber der Film ist kein Kostümfilm mit klackender Guillotine. Es ist ein großes Kammerspiel über die letzten 48 Stunden – praktisch „im Bunker“ – von Marie Antoinette. Erzählt wird eine einfache Wahrheit: wie klein große Menschen in ihren letzten Stunden werden und wie sie versuchen zu retten, was sie noch haben. Nämlich ihr Leben.

Wie revolutionsträchtig empfinden Sie denn derzeit die Stimmung hierzulande?
Still ruht der See. Es wird alles verdrängt. Das merkt man in Gesprächen mit Freunden und Bekannten – die großen, wichtigen Auf- und Umbruchsthemen: Armut, Verteilung, darüber sprechen wir nicht. Stattdessen gehen die Leute shoppen – in Deutschland gab es im letzten Jahr Rekorderlöse zum Beispiel beim Möbelkauf. Interessanterweise stehen nur die Menschen auf, die nichts haben. Aber hier in Europa, wo die Menschen vielleicht alles verlieren, passiert nichts. Da bleibt man lieber ruhig im Bett liegen.