Noah Baumbachs satirischer Thriller „White Noise“ nach Don DeLillo hat die Filmfestspiele in Venedig eröffnet – mit dabei auch Lars Eidinger.

Verheißungsvoll liest sich das Programm der 79. Auflage der Internationalen Filmfestspiele von Venedig. Große Namen finden sich in sämtlichen Sektionen, im Wettbewerb sind etwa Darren Aronofsky, Alejandro G. Iñárritu, Frederick Wiseman und Jafar Panahi vertreten. Nur lautet die Frage dieses Jahr: Bekomme ich denn überhaupt eine Karte?

 

Die Zeiten des Anstehens, des „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sind vorbei. Trotz abgeschaffter Coronakontrollen – es wird nur empfohlen, im Kino eine Maske zu tragen – müssen alle Akkreditierten online eine Platzkarte buchen. Ob des überlasteten Netzes und des neuen, offenbar überforderten Dienstleisters Vivaticket kann das mehrere Stunden dauern – mit ungewissem Ausgang. Entsprechend groß ist der Unmut unter den Journalisten und Fachbesuchern, die zudem beklagen, dass spontane Vorstellungsbesuche so unmöglich gemacht werden und kaum Zeit für Entdeckungen bleibt.

Am gewohnt pünktlichen Beginn der Veranstaltungen hat dies nichts geändert. Um 19 Uhr hob sich am 31. August bei der Filmschau bei warmen Temperaturen und bestem Wetter der Vorhang im Sala Grande des Palazzo del Cinema. Davor war die übliche (Polit-)Prominenz, darunter die ehemalige First Lady Hillary Clinton, über den roten Teppich geschritten, dazu luftig gewandete Sternchen und – von den Fans frenetisch beklatscht – die französische Grande Dame Catherine Deneuve, dieses Jahr Empfängerin des Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.

Großen Beifall erhielten natürlich auch Greta Gerwig und Adam Driver, Stars des Eröffnungsfilms „White Noise“ von Noah Baumbach, der vergangenes Jahr auf dem Lido seine „Marriage Story“ präsentiert hatte. Don DeLillos gleichnamigen, Mitte der 1980er erschienenen Roman hat er nach eigenem Drehbuch adaptiert. Als Produzent firmiert der Streamingdienst Netflix, mit dem man vor Ort – im Gegensatz zu Cannes – absolut keine Berührungsängste hat.

Von den Absurditäten, dem Horror und Wahnsinn der USA erzählt er, festgemacht an einer kinderreichen, nonstop quasselnden Familie. Die Mama (Gerwig) ist überfordert und schluckt heimlich geheimnisvolle Pillen, der Vater (Driver) College-Professor, Fachgebiet Geschichte, Spezialist für Nazideutschland, was immer wieder Vergleiche zwischen den USA und dem Dritten Reich ermöglicht. Angesagt sind Chaos und Desaster in Form eines grandios in Szene gesetzten Zugunglücks, das eine Umweltkatastrophe und in der Folge eine Massenpanik auslöst. Zudem geht’s um Ernährung, Gleichstellung, ausgedehnte Shoppingtouren, berufliche und eheliche Probleme sowie Seitensprünge, wo das heimische Schauspiel-Enfant-terrible Lars Eidinger ins Spiel kommt.

Ein bitterböser und komischer Mix mit vielen netten Ideen – schon die Frisuren der Ehepartner lassen einem Angstschauer über den Rücken laufen –, dem es jedoch an einer zentralen Story mangelt. Ein echtes Highlight ist der Abspann, in dem es bestens choreografiert auf Shoppingtour geht. Dafür gab’s vom Publikum Sonderapplaus.