Mit Ende Fünfzig muss man sich auf Umbrüche im eigenen Leben gefasst machen. Isabelle Huppert spielt eine Lehrerin, die mit altem und neuem Ungemach klar kommt. Wo andere Filme weinerlich werden, erzählt „Alles, was kommt“ vom Kampfgeist einer Frau.

Stuttgart - Sie hat schon viele starke Frauen gespielt, Französinnen zumal, die auch noch etwas vom guten Leben verstehen. Nun erweckt Isabelle Huppert(63) mit Leib, Geist und Seele die Philosophielehrerin Nathalie zum Leben, die von den typischen Umbrüche einer Endfünfzigerin heimgesucht wird.

 

Der selbstzufrieden dozierende Gatte verlässt sie für eine Jüngere, die adoleszenten Marketing-Besserwisser beim Verlags interessieren sich mehr für schreiende Umschläge als für komplexe Inhalte, ihre gebrechliche Mutter buhlt ständig mit drastischen Mitteln um Aufmerksamkeit, und ein ehemaliger Schüler macht ihr Komplimente, führt sie in Versuchung.

Kein ausgetretener Schmerz

Huppert spielt diese Nathalie als eine resolute Selbstbestimmte, die Schicksalsschläge tapfer wegsteckt und sich nicht beirren lässt. Nur kurz weint sie leise im Bus, als die Gesamtsituation sie dann doch überwältigt – und es ist eine große Qualität von „Alles, was kommt“, dass ihr Schmerz nicht ausgetreten und im Dialog erklärt werden muss wie im deutschen Fernsehkitsch.

Die Kamera umschmeichelt das scheinbar alterslose Energiebündel Huppert, ist immer ganz bei ihr. Deutlich spürt man, wie die junge französische Regisseurin und Drehbuchautorin Mia Hansen-Løve (35), deren Großvater Däne war, ihre Hauptdarstellerin einbezogen hat. „Isabelle war von Anfang an dabei“, gab Hansen-Løve bei der diesjährigen Berlinale zu Protokoll, wo der Film im Wettbewerb lief und den Silbernen Bären für die beste Regie zugesprochen bekam. „Ich hätte das Buch nicht schreiben können ohne sie. Sie strahlt diese Intelligenz aus und hat einen guten Humor, das war wichtig, um die Rolle zu entwickeln.“

Eine Frau voll innerer Kraft

Sie habe das alles so nicht erlebt, erklärte ihrerseits Huppert, „aber die Gefühle der Hauptfigur sind mir sehr nah. Ältere intellektuelle Frauen werden im Kino kaum dargestellt, und sie hat diese innere Kraft, diesen Selbsterhaltungstrieb, Situationen mit Entschlossenheit durchzustehen – das hat mir gefallen.“

Und so folgen die Zuschauer dieser kein bisschen langweiligen Frau durch ihren sehr französischen Alltag, in dem wenig Spektakuläres, aber allerhand sehr Menschliches passiert. „Die Antworten findet man in solchen Krisensituationen in sich selbst“, hat Huppert in Berlin gesagt zu diesem Film, der Frauen Mut machen kann und Männern aufschlussreiche Einblicke gewährt.

Alles, was kommt. Frankreich, Deutschland 2016. Regie: Mia Hansen-Løve. Mit Isabelle Huppert, Roman Kolinka, Edith Scob. 98 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.