Cate Blanchett spielt eine kritische TV-Journalistin, die ihren Job verliert. Ihr Vorwurf, George W. Bush habe gelogen, war nicht abgesichert genug. Zweifel an seiner Heldin lässt der einen realen Fall verarbeitende Film nicht zu.

Stuttgart - Offener Blick, gewinnendes Lächeln, straffe Haltung: Es sind nicht bloß ein paar telegene Attribute, die die amerikanische Fernseh-Journalistin Mary Mapes auszeichnen. Als Produzentin des investigativen Nachrichten-Magazins „60 Minutes II“ brachte sie 2004 die Folterskandale von Abu Ghraib zur Primetime in die amerikanischen Wohnzimmer und veränderte damit die Sicht der Menschen auf die Methoden des US-Militärs während des Irakkrieges. Für ihr journalistisches Engagement bekam Mapes sogar den renommierten Peabody-Medienpreis. Doch nur ein Jahr später, 2005, feuerte der Sender CBS die bis dahin als absolut seriös und integer geltende Reporterin – das hässliche Aus einer strahlenden Karriere.

 

Wie es zu dem unerhörten Vorgang kam, davon erzählt der Drehbuchautor James Vanderbilt („The Amazing Spider-Man“, Teil Eins und Teil Zwei) in seinem Regiedebüt „Der Moment der Wahrheit“. Eine packende Geschichte, auch für deutsche Betrachter, vor allem vorm Hintergrund der gegenwärtigen Glaubwürdigkeitskrise des Journalismus.

Die Lüge des Präsidenten

Wie viel Mitgefühl und Sympathie Vanderbilt für seine Protagonistin hegt, zeigt sich schon am Umstand, dass er sich für sein Drehbuch auf Mapes’ persönliche Sichtweise des von ihr ausgelösten Medienskandals stützt. In ihren grimmig-kämpferisch betitelten Memoiren „Truth and Duty: The Press, the President, and the Privilege of Power“ schildert sie, wie sie mit ihrem Team einer Lüge des zur Wiederwahl stehenden US-Präsidenten George W. Bush auf die Schliche kam. Mit Hilfe eines Informanten und auf Basis von Dokumenten aus unzulänglich abgesicherter Quelle versuchte Mapes zu beweisen, dass Bush sich während seines Militärdienstes vorm Einsatz in Vietnam drückte. Die Geschichte ging über den Sender, doch bald zweifelten Kritiker die Echtheit der im Fernsehen präsentierten Memos an, die Bushs feiges Verhalten einwandfrei belegen sollten.

Die Gefahr, dass Vanderbilts Nachstellung dieser Krise in Mapes Karriere wie in der Geschichte des Senders CBS allzu tendenziös gerät, ist groß. Vielleicht klingt deshalb der deutsche Verleihtitel fast schon triumphierend. Es scheint, als wolle Vanderbilt mit seinem Film nicht bloß das bis heute ramponierte Image seiner Protagonistin aufmöbeln, sondern das eines gesamten Berufsstandes gleich mit.

Fehlerhafte Recherchen

Respektvolle Bewunderung, die als Grundton die Erzählung bestimmt, zeichnete schon Vanderbilts Drehbuch zu David Finchers Reporter-Thriller „Zodiac“ (2007) aus, der den Kriminalfall aus der Perspektive von Journalisten erzählte. Doch anders als bei der Verarbeitung des Serienkiller-Falls muss Vanderbilt in „Der Moment der Wahrheit“ allein aus Dialogen und aus eher unspektakulären Betrachtungen des journalistischen Tagesgeschäfts Spannung schöpfen. Das gelingt ihm erstaunlich gut.

Gleich in der ersten Szene etabliert er Mary Mapes (von Cate Blanchett hingebungsvoll mit stets elegisch umflortem Blick gespielt) als Gedemütigte, die in das Büro ihres Anwalts rauscht, um ihn über ihre Kündigung und eine anstehende Befragung beim Sender zu informieren. In einer die Ereignisse penibel nachvollziehenden Rückblende entwickelt Vanderbilt, wie es während der Recherchen unter massivem Zeitdruck zu auf den ersten Blick unbedeutenden Ungenauigkeiten und Zugeständnissen kam.

Über alle Zweifel erhaben?

Beim Betrachten dieser Vorgänge stellen sich unweigerlich zwei Sichtweisen ein. Einerseits wirkt Mapes’ Methode oft allzu nassforsch, andererseits sitzen ihr knapp disponierte Sendetermine im Genick. In Gestalt ihres väterlichen Mentors und Kollegen Dan Rather (Robert Redford), der als seriöser Anchor-Man vor der Kamera die Ergebnisse der Recherche präsentieren soll, findet Mary Rückhalt und Bestätigung.

Eigentlich würde diese dichte Schilderung von den Tücken des Redaktionsalltags zwischen komplexer Faktenlage und übermächtigem Quotendruck der Geschichte von Mary Mapes Genüge tun. Doch Vanderbilt widmet sich auch dem privaten Schicksal dieser Frau, die ihre Rolle als Mutter und Ehefrau dem Job unterordnet und noch als Erwachsene unter dem Trauma väterlicher Vernachlässigung leidet.

Sportlich unausgeglichen

Der Film schafft so ein umfassendes Persönlichkeitsprofil der Figur, lässt sie als über alle Zweifel Erhabene mit gewissen menschlichen Makeln erscheinen. Ihre Kontrahenten im Sender, die ihr und Dan Rather kurz nach Ausstrahlung der verpatzten Sendung den Laufpass gaben, erfahren dagegen wenig Beachtung.

Dass Vanderbilt nicht immer ausgeglichen erzählt, stößt aktuell in den USA auf heftige Kritik in der Medienbranche. Dabei könnte man die leidenschaftliche Parteinahme des Filmemachers auch sportlicher nehmen: als künstlerische Freiheit nämlich.

Der Moment der Wahrheit. USA 2015. Regie: James Vanderbilt. Mit Cate Blanchett, Robert Redford, Dennis Quaid, Elisabeth Moss, Stacy Keach. 126 Minuten. Ohne Altersbeschränkung. Ab 02. Juni neu im Kino.