Disneys großer Animationsfilm zu Weihnachten kehrt in vielen Szenen zurück zu alten Stärken des Studios. Nur die Lieder, ganz auf die moderne Musicalnorm abgestimmt, lassen zu wünschen übrig.

Stuttgart - Das ist mal ein echtes Kindheitstrauma: die Königstöchter Anna und Elsa tollen nachts durchs Schloss, Elsa setzt dabei ihre angeborene Zauberkraft ein, die Eis und Schnee erzeugen kann. So lässt sie im Nu Hügel und Rampen aus dem Nichts erstehen. Aber einer ihrer Eiszauber verfehlt sein Ziel und trifft Anna. Die schon Totgelaubte kann zwar von Trollen noch einmal ins Leben zurückgeholt werden, aber in der Märchenwelt des neuen Disney-Animationsfilms „Die Eiskönigin“ irrlichtert die Psychologie so geheimnisvoll und mächtig umher wie die Magie.

 

Anna kann sich an nichts mehr erinnern, und das soll so bleiben. Damit nicht beiden Schwestern das Leben durch Erinnerungen an den Beinahe-Totschlag vergiftet wird, wachsen die beiden unter einem Dach streng getrennt voneinander auf. Elsa weiß wenigstens, warum. Anna steht ratlos vor einer verschlossenen Türe.

Zurück zum klassischen Disney-Look

Schon die äußere Gestaltung macht klar, dass die Produzenten in die Vergangenheit blicken. Architektur und Klamotten, Bediente und Prinzessinnen, Tierwelt und anreisende Prinzen stellen eine gelungene Übertragung des klassischen Disney-Stils in die Welt stereoskopischer 3-D-Bilder und der Mangabegeisterung dar.

Aber „Die Eiskönigin“ greift eben noch weiter und kundiger zurück, über die bloße Knuddelfigurenniedlichkeit hinaus auf etwas, das der Firmengründer Walt Disney den ersten abendfüllenden Disney-Filmen eingeschrieben hatte: dunkle Gewalten im Untergrund, dauerhafte Risse in der netten Welt. Dass in der Kindheit etwas so dramatisch schiefgelaufen ist, dass zwei einander herzlich Zugetane entfremdet aufwachsen, dass Elsas Zauberkräfte schließlich außer Kontrolle geraten und das ganze Reich in eine Eiszeit stürzen – das ist eine Erfindung, würdig der dunklen Seiten von „Bambi“ und „Pinocchio“.

Das Musical wird mitgeplant

Aber so soll und darf „Die Eiskönigin dann doch nicht werden. Denn die andere Hälfte dieser Produktion wird vom Kalkül eines Unterhaltungskonzerns bestimmt, der viel Erfahrung mit multimedialen Verwertungen hat, der zum Beispiel die spätere Bühnenmusicalfassung gleich mitdenkt. So werden heitere Nebenrollen nicht klug agierenden Tieren zugewiesen, für die Komik ist ein sprechender Schneemann zuständig. Der lässt sich später von echten Sängern leichter darstellen.

Viele Szenen wirken, als seien sie als detaillierte Choreografie- und Bühnenbauanweisung für die Musicaltheater gedacht. Weil es passende und wirkungsvolle Entwürfe sind, wäre das gar nicht schlimm, wenn nur auch die Musik auf Disneys beste Jahre zugriffe. Der Soundtrack aber stammt mit sterilen Ich-trällere-jetzt-die-großen-Gefühle-Songs aus der Andrew-Lloyd-Webber-Schule. So nett hier vieles ist, wenn das nächste Lied droht, besäße man als alter Gershwin-Fantroll gerne die Mundgefrierkräfte von Elsa.

Die Eiskönigin – 3D. USA 2013. Animationsfilm. Regie: Chris Buck, Jennifer Lee. 103 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.