Greta Gerwig spielt in „Frances Ha“ eine junge Frau, der nichts richtig gelingen will, nicht einmal ein Romantik-Trip nach Paris. Aber aufgeben will diese Frau, die Fehler mehr als das Gelungene liebt, keinesfalls.

Stuttgart - Der Filmemacher Noah Baumbach galt bislang als ziemlicher Pessimist, sogar als Misanthrop. Sein Film „Greenberg“ erzählte vom Verlust der Jugend auf eine derart desillusionierende Weise, dass man beklommen aus dem Kino schlich. Die schlechte Nachricht ist: Baumbach ist verliebt. Die gute Nachricht: er kann immer noch ziemlich böse sein.

 

Ein Beispiel: „Everyone’s a Winner“. Der alte Hit von Hot Chocolate erklingt wie ein boshafter Kommentar, wenn Frances, die bezaubernde und stets etwas ungelenk bis tölpelhaft agierende Protagonistin des neuen Films, erkennen muss, dass sie das, was sie vom Leben erwartet, vielleicht niemals bekommen wird. Es ist ein arger Weg der Erkenntnis, den sie bis zu diesem Zeitpunkt des Films gehen musste: als Tänzerin nicht sonderlich erfolgreich, ist sie stets darum bemüht, sich ihre Existenz nicht allzu offensichtlich von ihren prekären Lebensbedingungen diktieren zu lassen, um weiterhin mit bohèmienhaften Lebensformen und Stilen experimentieren zu können.

Wer darf sich für arm halten?

Als sie ihren reichen Hipster-Freunden, die als Künstler-Assistenten oder Möchtegern-Drehbuchautoren für Filme wie „Gremlins 3“ arbeiten, einmal erschöpft „gesteht“, dass sie „arm“ sei, wird ihr das sofort als prätentiös vorgehalten: eine Beleidigung aller „wirklich Armen“.

Wenn später überraschend ein Scheck vom Finanzamt kommt, wird France spontan eine Einladung zum Abendessen in einem Restaurant aussprechen, an deren turbulenten Ende ihre Einsicht steht: „Ich bin noch gar keine richtige Person!“ Ihre charmante Unsicherheit kaschiert Frances gerne, indem sie sich mittels eines forcierten Freundschaftsbegriffs der Geistesverwandtschaft versichert, die sich in einem „intimen“ Blickwechsel inmitten einer größeren Gesellschaft substanzialisiere.

Herausgezögertes Erwachsenwerden

Diese kleine Utopie der Intimität ohne Sex macht die Figur liebenswert, aber auch verletzlich. Über ihre beste Freundin Sophie sagt sie, sie seien ein und dieselbe Person, nur eben mit unterschiedlichen Haaren. Wie ein altes lesbisches Paar, das keinen Sex mehr habe, so Frances, die sich damit ziemlich aus dem Fenster lehnt. Dass sie damit leider falsch liegt, davon erzählt „Frances Ha“. Auch.

Denn dieser Film ist eine bittersüße, leicht melancholische Studie in Sachen herausgezögerte Post-Adoleszenz. Einmal sagt jemand, dass Frances ihr Leben nicht auf die Reihe bekomme, aber die Art und Weise, wie diejenigen, die in „Frances Ha“ ihr Leben auf die Reihe bekommen, schmeckt nach faulem Kompromiss und Anpassung an etwas sehr Uninteressantes, ja, Lähmendes.

Verbeugungen vor Woody Allen

Obwohl der Film die vielen und teilweise sehr schmerzhaften Rückschläge in Frances´ Leben nicht unterschlägt, haben Baumbach und die Hauptdarstellerin Greta Gerwig, die auch Drehbuch-Co-Autorin ist, beschlossen, ihre Protagonistin zu schützen. Mittels einer Riesenportion Romantik, mit Nouvelle Vague-Musik von Georges Delerue, mit stilvoller Schwarz-weiß-Fotografie, mit Verbeugungen vor Woody Allen – und natürlich auch mit der eigenen Geschichte, denn seit dem Drehbuchschreiben sind Baumbach und Gerwig ein Paar.

Nicht unterkriegen lassen

Baumbach macht aus seinen Gefühlen kein Geheimnis, sondern feiert seinen Star in jeder Szene des Films. Für Gerwig, die in allerlei intelligenten Indie-Produktionen auf sich aufmerksam machte und mittlerweile auch mittelgroße Hollywood-Produktionen wie „Freundschaft Plus“ oder „Arthur“ veredelt, dürfte „Frances Ha“ der endgültige Durchbruch werden. An diesem Wochenende feiert sie ihren dreißigsten Geburtstag.

Frances, im Film 27 Jahre alt, gilt dagegen als „undateable“, pflegt lieber Freundschaften als Liebschaften und lässt sich von Misserfolgen nicht unterkriegen. Auch nicht, als sie sich spontan und fast als Akt des Widerstands zu einem „Zwei-Tage- Paris“-Trip entschließt, extrem kostspielig und so vergeblich und sinnlos, dass es wirklich schmerzt, sie dabei zu begleiten – obschon es schön komisch anzuschauen ist.

Liebenswerte Fehler

Paris ist zwar längst noch nicht der Tiefpunkt in Frances’ Leben, doch der Film schließt mit einer Choreografie, bei deren Premiere alle Freunde im Publikum sitzen. Endlich hat Frances etwas auf die Reihe bekommen, doch auf Komplimente reagiert sie zurückhaltend: „Ich liebe es, wenn etwas wie ein Fehler aussieht!“ Nur, um unmittelbar danach ihre Utopie der Freundschaft eingelöst zu sehen.

Am Schluss präsentiert sie dann dem Publikum mit Blick in die Kamera durchaus mit etwas Stolz ihre erste eigene Wohnung. Als sie das Namensschild – Frances Halladay - am neuen Briefkasten anbringen will, reicht der Platz nicht hin. So kommt der Film zu seinem seltsamen Titel.