Als sie ihren Liebhaber an eine Jüngere verliert, braucht die von Catherine Deneuve gespielte Restaurantbetreiberin eine Auszeit. Sie fährt los ins Blaue, wird unterwegs aber auch von sehr viel jüngeren Männern angemacht.

Stuttgart - Ein Sonntag auf dem Lande. Die Restaurantbetreiberin Bettie, eine geschiedene Frau Anfang sechzig, hat gerade erfahren, dass ihr Geliebter sich eine Jüngere genommen hat. Sie steckt jetzt aber mitten in der Arbeit, korrigiert im Vorbeigehen den Koch, hört sich tadelnde Sätze ihrer an der Kasse sitzenden Mutter an, mit der sie sogar die Wohnung teilt, und hat jetzt Lust auf eine Zigarette.

 

Sie setzt sich in ihren Benz-Kombi und fährt los, begleitet von einem Rufus-Wainwright-Song: „I don’t know what I’m doing, I don’t know where I’m going . . .“ In einem benachbarten Kaff stoppt sie und spricht einen alten Mann an, der zwar keine Zigarette dabei hat, sie aber ins Haus bittet, um ihr eine zu drehen.

Selberdrehen braucht Geduld

So hockt Bettie nun an einem schäbigen  Küchentisch und schaut ungeduldig zu, wie dieser alte Mann mit dicken, arthritischen Fingern den Tabak auf ein Papierchen legt, immer wieder neu ansetzt und nur extrem langsam vorankommt. Sie hält es schließlich nicht mehr aus, fragt ihren Gastgeber zur Überbrückung der Stille, ob er denn verheiratet sei, und erhält die Antwort, dass er als junger Mann eine Freundin gehabt habe, die sei an Tuberkulose gestorben und habe ihm das Versprechen abgenommen, ledig zu bleiben. Dann hat er es endlich geschafft, er dreht zu, leckt das Papierchen ab, gibt Bettie die Zigarette, die gierig daran zieht. Eine wunderbare Sequenz!

Der alte Mann ist übrigens, so wie viele andere in Emmanuelle Bercots Film, ein Laiendarsteller. Bettie dagegen, die Frau in der Late-Life-Krise, ist Catherine Deneuve, die sich hier fast demütig in eine Alltags- und Durchschnittsexistenz hineinspielt.

Aber ganz kann sie ihren Glamour natürlich nicht verbergen, in „Madame empfiehlt sich“ war sie mal Miss Bretagne 1969, und an der Bar einer Dorfdisco wird sie nun auch von einem jungen Kerl in orangefarbener Trainingsjacke angemacht. Sie lacht zunächst, so als könne sie das nicht fassen.

Endstation Wiese

Bettie fährt nun durch die Provinz und erhält Einblicke in andere Leben. Sie begegnet einem Bauern auf dem Feld oder einem schwarzen Wachmann, der sie während eines Landregens im Möbel-Outlet ausruhen lässt, und sie kabbelt sich schließlich mit ihrem Neffen Charly, den sie auf Wunsch der verbitterten Tochter zu seinem Opa bringen soll. Und so führt dieses nur scheinbar ziellose Roadmovie schließlich zu einer aus so vielen französischen Filmen bekannten Wiese unter Bäumen.

Der letzte Satz in diesem mit Empathie vollgesogenen Film lautet: „Das Leben geht weiter!“ Vorher aber sagt Betties Tochter zu ihrer neu verliebten Mutter: „Du wirst noch schön sein, wenn du im Sarg liegst!“ Es ist ein Vorwurf, mit dem Catherine Deneuve zurechtkommen muss.

Madame empfiehlt sich. Frankreich 2012. Regie: Emmanuelle Bercot. Mit Catherine Deneuve, Nemo Schiffman, Mylene Demongeot.114 Minuten. Ab 6 Jahren.