Mit Ironie hat Darren Aronofsky in diesem Weltuntergangsepos nichts am Hut. Er will die Sintflut weitgehend bibeltreu verfilmen – und stört sich nicht daran, dass das Ergebnis grotesk naiv aussieht.

Stuttgart - Gott wahrt auch in Momenten des Zorns seinen Weitblick. Als er sich entschließt, seine Schöpfung von der Erde zu tilgen, mit Ausnahme eines schwimmenden Musterköfferchens voller Tiere und Menschen für den Neustart des alten Schlamassels, gibt er seinem treuen Diener Noah folgende Bauanleitung: „Mache dir einen Kasten . . . und er soll drei Stockwerke haben, eines unten, das zweite in der Mitte, das dritte oben.“ Der Himmel will also keine Architekturexperimente.

 

Der amerikanische Regisseur Darren Aronofsky („Pi“, „Black Swan“), Jahrgang 1969, geht im Spielfilm „Noah“ ganz nahe heran an den aus diversen Überlieferungen und Erzähltraditionen collagierten Großtext Bibel. Aber das Absurde und amüsant Umständliche, das deren alte Texte auch prägt, entgeht ihm, beziehungsweise er will es vorsätzlich negieren. Aronofsky, der aus einem strenggläubigen jüdischen Elternhaus kommt und der bei der Arbeit an „Noah“ auch die Überlieferungen des Talmuds in den Blick genommen hat, inszeniert einen Film über die Sintflut, dessen Ernst einen Gegenentwurf zur habituellen modernen Ironie liefern soll.

Etwas hochgestochen könnte man sagen, Aronofsky möchte Noah aus der Welt der Cartoons zurückholen in eine Welt einschüchternder Würde. Das Projekt verkehrt sich aber ins Gegenteil. Wer so vielen modernen Fragen ausweicht, erweist dem die Fragen provozierenden Text eben gerade keinen Respekt.

Ein rabiater Tierschützer

Russell Crowe hat als Noah gleich einen nicht aus der Genesis stammenden, markanten ersten Auftritt. Vor seinen Augen versuchen drei Jäger, ein bereits waidwundes Tier endgültig zu erlegen, eine Art Schuppenhund, ein erbärmlich im Todeskampf zuckendes Wesen. Noah wird wütend, weil er, wie sich zeigt, ein Jagdgegner ist. In einer eindeutig nicht Sandalenfilme, sondern fernöstliches Kampfkino zitierenden Sequenz gerät er mit den Jägern aneinander und metzelt sie nieder, ein vorsintflutlicher Peta-Aktivist in loderndem Naturschutzeifer.

Kurioserweise haben solche Szenen Aronofsky den Zorn der christlichen Rechten in den USA eingetragen. Diese Szenen finden sie nicht in ihrer Bibel, mithin gilt ihnen solches Inszenieren als respektlose Besserkönnerattitüde gegenüber der Heiligen Schrift, als Teufels Beitrag. Dabei setzt Aronofsky hier doch eine jener krausen Thesen ins Bild, die den Kreationismus gegen die Evolutionslehre verteidigen sollen. All die Tiere, deren Fossilien wir finden, haben die Sintflut nicht überlebt.

Endzeit-Biker im digitalen Wasser

Damit Aronofsky uns beim Archebau nicht bloß die Spannungselemente übermenschlicher Zimmermannsanstrengungen aufzutischen hat, baut er eine nebenbei erwähnte Figur des Alten Testaments, Tubal-Cain (Ray Winstone), zur Verkörperung der hochmütigen Gottferne auf. Dieser auf Erzgewinnung und Waffenfertigung spezialisierte Lumpenkönig wird den Archebau stören.

Dass Tubal-Cains Schmiede modern wirkende Schweißermasken tragen, dass die Kleidung von Noah und anderen einen Anhauch von Jeans und alten Bikerklamotten haben, ist zwar ein bewusstes Spiel mit den Codes des modernen Endzeitkinos. Aronofsky will „Noah“ für die Deutung offenhalten, dies sei nicht die historische Sintflut, sondern eine der Zukunft.

Aber dieser Schlenker reibt sich nur ungut an der starrsinnig naiven Umsetzung der Bibelstellen: tatsächlich kommen die Tiere zu je zweien in die Arche, als sei mit solch einem kleinen Genpool in der Zukunft etwas anzufangen. Hollywood war 1928 schon weiter, als Michael Curtiz das noch als Stummfilm begonnene, eilig um Tonsequenzen erweiterte Monumentalwerk „Noah’s Ark“ drehte. Der Film spielt zur Hälfte in der Moderne, zeigt die Börse als Tanz ums Goldene Kalb und den Ersten Weltkrieg als neue Sintflut. Bei der Inszenierung der biblischen Sintflut allerdings bestand Curtiz auf derart realistischen Wassereffekten im Studio, dass mehrere Komparsen zu Tode kamen. Zumindest das muss man von Aronofskys „Noah“ nicht berichten: die tosenden 3-D-Wasser kommen aus dem Bildcomputer.

Noah. USA 2014. Regie: Darren Aronofsky. Mit Russell Crowe, Jennifer Connelly, Emma Watson, Ray Winstone. 138 Minuten. Ab 12 Jahren.