Jim Jarmusch wechselt von Film zu Film gerne Genre und Tonarten. In seinem neuen Werk erzählt er von Vampiren, die weniger blutgierige Ungeheuer als feinsinnige Überbleibsel der Kultur-Bohème zu sein scheinen.

Stuttgart - Adam ist ein sehr trauriger Vampir. Seit Jahrhunderten treibt er sich auf der Erde herum, hat im Geheimen als Erfinder gewirkt und auch große Musik komponiert – unter anderem ein Franz Schubert zugeschriebenes Streichquartett! Aber die Menschen sind trotzdem immer schlechter geworden, inzwischen nennt er diese Spezies, die den eigenen Planeten verkommen lässt, nur noch verächtlich „Zombies“.

 

Angeekelt hat der dunkeläugige und schwarzmähnige Adam (Tom Hiddleston) sich zurückgezogen, haust nun in einer düsteren Villa im abgewrackten Detroit, lässt in seinem Salon alte Tonbänder laufen, zupft mal an dieser oder jener E-Gitarre. Wenn er Blut braucht, beißt er nicht mehr in Kehlen, sondern kauft sich Konserven aus dem Krankenhauslabor. Aber eigentlich ist sein Dasein nur noch ein großes Seufzen, und so beauftragt er seinen Getreuen Ian (Anton Yelchin), ihm eine Patrone aus Edelholz zu besorgen.

Kunstprojekt mit ein bisschen Sex

„Für ein Kunstprojekt!“, sagt der todessüchtige Adam. Und als Kunstprojekt darf man auch diese Vampir-Elegie von Jim Jarmusch begreifen. In „Only Lovers left alive“ schickt der Regisseur die blonde Vampirin Eve (Tilda Swinton) zum depressiven Adam, um ihn vor dem Sturz in die große Dunkelheit zu bewahren. Die beiden sind seit langem ein Paar, aber Eve hat noch nicht ganz die Lust an dieser Welt verloren. Sogar ein bisschen Sex mit Adam ist noch drin, auch wenn die Begierde nicht mehr groß scheint.

Dieses Paar hält sich nämlich fern vom Umfeld pubertärer Vampir-Fantasien wie der „Twilight“-Saga oder der dampfenden Erotik der „True-Blood“-Serie. Es hat den rohen Trieb schon lange überwunden und in die feine Kultur hineinsublimiert. Adam und Eve gehören zu einer unsterblichen und dennoch bedrohten Künstler- und Bohème-Szene: Er arrangiert Fotos von Poe, Kafka oder Dylan zum Wandaltar, sie pflegt eine Freundschaft mit dem immer noch dichtenden Christopher Marlowe (John Hurt), der behauptet, den „Hamlet“ geschrieben zu haben. Und wenn Adam und Eve sich Pässe fälschen lassen, dann spielen ihre neuen Namen Stephen Dedalus und Daisy Buchanan auf Joyces „Ulysses“ beziehungsweise Fitzgeralds „Großen Gatsby“ an. Der Film ist auch eine nimmermüde Namedropping-Maschine.

Bedrohte Vampir-Bohème

Aber alles und immer mit Stil! Diese somnambulen Gänge durch Tanger etwa, diese hypnotischen Fahrten durch das sterbende Detroit, diese coolen Sonnenbrillen, oder diese kristallenen Sherrygläser, aus denen Adam und Eve das Blut trinken. Doch, das hat eine wunderbar dekadente Atmosphäre. Aber Biss hat es sehr lange nicht. Jarmusch ist nicht auf Spannung und Action aus, er zelebriert erlesenen Stillstand.

Erst als Eves jüngere Schwester Ava (Mia Wasikowska) auftaucht, eine dreiste Göre, die sich vor 87 Jahren schon mal schwer daneben benommen hat, kippt der sanft-morbide Witz auch mal ins Fröhlich-Grelle, wird diesem etwas stickigen Nachtstück Frischluft zugeführt. Adam und Eve sind zwar entsetzt, als Ava nicht nur ihre Zähne zeigt, sondern auch gebraucht. Das ewige Liebespaar wirkt danach aber ein wenig munterer, diese vom Untergang bedrohte Vampir-Bohème-Existenz löst sich aus ihrer Außenseiterrolle und streift nun lüstern durch die Straßen. Vorsicht, die beiden wollen nicht nur spielen!

Only lovers left alive. USA 2013. Regie: Jim Jarmusch. Mit Tilda Swinton, Tom Hiddleston, Mia Wasikowska. 123 Minuten. Ab 12 Jahren.