Mit Actionkrachern ist der Regisseur Michael Bay berühmt geworden. Nun will er nicht mehr nur Rabatz, nun will er zeigen, dass er schlauer ist als seine Filmfiguren. Dazu schildert er die Kriminellen in „Pain & Gain“ einfachheitshalber als Vollidioten.

Stuttgart - „Ich glaube an Fitness!“, so verkündet der kräftig-gedrungene Daniel Lugo (Mark Wahlberg) aus dem Off, während er an der riesigen Reklamewand des Sun-Gym-Studios sein Übungsprogramm durchzieht. Bis er gestört wird vom Sondereinsatz einer schwer bewaffneten Polizeieinheit.

 

Nun flüchtet er über Dächer, stürzt sich von Brüstungen, sprintet durch Straßen und wird schließlich, genauso wie diese rasende Actionsequenz, heruntergebremst von einem Auto. In Zeitlupe knallt Lugo in die splitternde Windschutzscheibe, und danach blendet der Film ein paar Monate zurück und versucht, seine auf einem wahren Fall basierende Geschichte von vorne zu erzählen.

Die Körper sind das Wichtigste

Michael Bay hat „Pain & Gain“ inszeniert, jener 1965 in Los Angeles geborene Regisseur und Produzent, der sich mit Adrenalin-Kino einen Namen gemacht hat. Zum Beispiel mit Actionkrachern wie „Bad Boys“ (1995), „The Rock“ (1996), „Armageddon“ (1998) oder „Pearl Harbour“ (2001), in denen das, was mit den Körpern der Protagonisten angestellt werden konnte, immer sehr viel wichtiger war als das, was mit deren Charakteren passierte.

In den letzten Jahren hat Bay dann die „Transformers“-Serie auf die Leinwand losgelassen, ein auf Bubenspielzeug basierendes Spektakelkino, in dem die Menschen nur noch dürftiges Beiwerk sind für die Kriege monströser Metallmonster. Dazwischen aber, in dem 2005 entstandenen Science-Fiction-Film „Die Insel“, in dem sich ein geklontes Paar seiner Verwendung als Organspender entziehen will, sah es plötzlich doch mal so aus, als könne Bay sich einem Kino mit menschlichem Maß zumindest annähern.

Krawallmacher mit Ambitionen

Nun also die in den neunziger Jahren in Florida spielende Story eines Trios aus dem Muskelzuchtgewerbe, das sich den amerikanischen Traum durch Kidnapping erfüllen will. Und man spürt sofort: Michael Bay hat große Ambitionen, er orientiert sich hier nicht mehr nur an kindsköpfigem Blockbuster-Krawall, er will nun endlich in der Liga von Quentin Tarantino („Pulp Fiction“), von den Coen-Brüdern („Fargo“) oder gar Martin Scorsese („Goodfellas“) mitspielen.

„Ich habe viele Filme gesehen, ich weiß, was ich tue!“, sagt ja auch Daniel zu seinem schwarzen Fitnesskumpel Adrian (Anthony Mackie) und zu dem gerade aus dem Gefängnis entlassenen Paul (Dwayne Johnson), der aussieht wie ein Bizepsgebirge in 3-D. Aber die ersten Versuche, den großkotzigen Unternehmer Victor (Tony Shalhoub) zu entführen, scheitern an der Dämlichkeit der in Superheldenkostümen steckenden Täter.

Überhaupt führt der Regisseur seine Protagonisten in jeder Szene als Trotteltruppe vor. Allerdings als brutale Trotteltruppe. Der schließlich doch gefangene Victor wird nämlich tagelang in einem Warenlager malträtiert, geschlagen oder mit dem Kopf nach unten aufgehängt, und dann – als er seine Geschäfte endlich an Daniel und dessen Gang überschrieben hat –, mit dem Lieferwagen überfahren. Und Michael Bay, der auch in Großaufnahme zeigt, wie sich ein Autoreifen in Victors Gesicht drückt, findet das alles sehr lustig!

Am Stammtisch der Folterer

Eine schwarze Komödie will „Pain & Gain“ sein, eine Satire gar. Aber dem Regisseur gelingt weder jene Abstraktion, Stilisierung oder auch Ambivalenz, die das erstgenannte Genre bräuchte, noch zeigt er ein Interesse an Psychologie, Soziologie oder Historie, das für die zweite Form nötig wäre. Anders gesagt: dieser Film ist so dumpf wie seine Figuren.

Ein Mangel an Intelligenz

Paul wird gezeigt als depperter Christ mit Missionsdrang, der sich am Ende mit Koks zudröhnt. Adrian wird als vor lauter Steroidspritzen impotent gewordener Blödmann mit kleinem, krummem Schwanz vorgeführt. Und Daniel Lugo ist einfach ein doofer Saukerl mit überbordender krimineller Energie.

Über diese Figuren fühlt Michael Bay sich grandios erhaben, sie kann er mit Krawallhumor vorführen und ausführlich verachten. Aber um eine Haltung zu entwickeln, die über diese Was-sind-diese-Kerle-doof-Belustigung hinausginge, dafür fehlt es Michael Bay möglicherweise an Intelligenz, auf jeden Fall aber an den filmischen Mitteln.

Verkorkst und widerlich

Mit stupider Gleichförmigkeit lässt er seine Protagonisten auftreten, und alle quatschen sie in Voice-over-Manier über das, was passiert ist oder was sie gerade tun. Denn dieser Regisseur, der seine Karriere einst mit Werbefilmen und Musikvideos gestartet hat, kann ja nicht wirklich in Bildern erzählen, er kann nur illustrieren und verfällt dabei immer wieder in von martialischem Sound durchhämmerten Hochglanz-Action-Modus. Wobei das, was Michael Bay für Humor hält, immer splatterhafter und zynischer wird.

Da läuft ein kleiner Hund mit einem großen Zeh im Maul herum, da dampfen abgeschnittene Hände auf dem Vorgartengrill, da kriegen dicke Frauen Todesspitzen verpasst. „Pain & Gain“ ist nicht nur ein verkorkster, sondern auch ein unangenehmer, ja, ein widerlicher Film. Bei der Nachbesprechung am Stammtisch der Folterer aber wird wohl herzhaft gelacht.