Aus einem großartigen Kinderbuch ist ein toller Film auch für Erwachsene geworden: es geht um einen Entführer, um knurrige Taxifahrer, vor allem aber darum, dass nicht jeder hochbegabt und ein Eliteschüler sein muss.

Stuttgart - Wenn Rico, der kleine Held, in Stress gerät, purzeln die Gedanke in seinem Kopf durcheinander wie die Kugeln in einer Bingotrommel. Deshalb nennt er sich „tiefbegabt“. Dabei ist er ein aufgeweckter, mutiger Junge, auch wenn er - anders als sein neuer hochbegabter, aber ängstlicher Kumpan Oskar - nicht so gut mit Worten jonglieren kann.

 

Zeichnungen des Illustrators Peter Schössow fassen im Vorspann von „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ zusammen, wie einst im Hinterhof der Berliner Wohnung, wo Rico mit seiner Mutter lebt, ein Gasherd explodierte. In diesem unheimlichen, einsturzgefährdeten Gebäude kulminiert die Krimigeschichte um einen „Schnäppchen“-Kinderentführer, der von den Eltern immer schlappe 2.000 Euro erpresst. Aber eigentlich geht es um den Beginn einer besonderen Freundschaft.

Mit dem Aufnahmegerät durch Berlin

Das großartig aufspielende Ensemble reicht von den Kinderdarstellern Anton Petzold und Juri Winkler, über Gastauftritte wie dem von Anke Engelke als entnervter Eis-verkäuferin, bis hin zu Karoline Herfurth, die überzeugend die liebevolle, manchmal an ihre Grenzen geratende alleinerziehende Mutter von Rico gibt. Milan Peschel ist in einer Nebenrolle als Hausmitbewohner und knurriger Kinderhasser sehenswert.

Inhaltlich bleibt der Spielfilm eng und auch mutig am Buch von Steinhöfel. Dabei setzt er stimmige, eigene Akzente, etwa, dass Rico statt einem Ferientagebuch hier seine Gedanken einem Aufnahmegerät anvertraut. Das tröstet ihn auch, wenn seine Mutter nachts arbeiten geht und er ihre Stimme vom Band hören kann.

Applaus von den Kids

Die Berliner Görengeschichte des Buches - „tiefbegabt seid ihr heutzutage doch alle“, murrt einmal ein Taxifahrer“ - mit ihrem Subtext von Wohlstands- wie Armutsvernachlässigung, von schillernden Elternberufen wie Bardame, findet gekonnt mit all ihren Komplexitäten Eingang in den Film. Ein erfrischender, hervorragend gestalteter Kinderfilm, der auch Erwachsene prächtig unterhält!

Zur Stuttgarter Pressevorführung kamen übrigens viele Kinder, die Karten bei einer Verlssoung der Kinderzeitung gewonnen hatten. Das kommt gar nicht so selten vor. Aber dass die Kids spontan applaudierten, spricht wohl für sich.

Rico, Oskar und die Tieferschatten. Deutschland 2014. Regie: Neele Leana Vollmar. Mit Anton Petzold, Juri Winkler, Karoline Herfurth. 96 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.