Ein Anwalt will es seinen Mandanten nachmachen: er will mit Drogen Geld verdienen. Ridley Scott erzählt in seinem kühlen neuen Film vom Werteverfall der oberen Mittelschicht. Das Drehbuch stammt von Cormac McCarthy („No Country for old Men“).

Stuttgart - Solide wirkt er, erfolgreich, intelligent, bedacht, dieser Anwalt, der einen Film lang keinen Namen bekommen wird, den alle mit seiner Funktionsbezeichnung ansprechen: Counselor. Rechtsbeistand, wie man bei uns auch sagt, das klingt nach Hilfe und Beratung, auf die man sich stützen kann. Das ist schon der erste bittere Witz dieses Thrillers von Ridley Scott („Alien“, „Gladiator“). Der Counselor, cool gespielt von Michael Fassbender, befindet sich schon im freien Fall, als er das erste Mal vor die Kamera tritt.

 

Der Counselor, dürfen wir schließen, hat bislang im Südwesten der USA Drogengangster verteidigt. Nun braucht dieser Mann, der fein gekleidet ist, eine edle Uhr trägt und ein obszön teures Auto fährt, selbst viel Geld. Er steigt ein in das Geschäft, dessen Risiken er zu kennen glaubt.

Details seiner Geschäftsvereinbarungen werden wir aber so wenig erfahren wie die genauen Umstände seines Geldbedarfs. An diesem Punkt setzen denn auch die zahlreichen Verrisse an, die Scotts Verfilmung des ersten Originaldrehbuchs des Autors Cormac McCarthy in den USA eingeheimst hat. Wirr und schlecht entwickelt sei „The Counselor“, am Krimiplot nicht interessiert, krieche ziellos von Dialogszene zu Dialogszene und führe eine exzellente Besetzung – neben Fassbender unter anderem Cameron Diaz, Penélope Cruz, Javier Bardem und Brad Pitt – ins Nichts.

Jeder außer dem Counselor

Aber alles, was „The Counselor“ derart als Makel angekreidet wird, ist Teil des Konzepts. Scott und McCarthy gehen davon aus, dass wir schon genügend Drogenkrimis gesehen haben, um uns den handelsüblichen Thriller aufgrund weniger Anstupser selbst im Kopf zusammenbauen zu können. Den Standardfilm wollen sie aber nicht derber, fieser, flotter gestalten, wie das Oliver Stone mit „Savages“ getan hat. Sie streben eher nach Abkühlung, Distanzierung, Abstraktion.

Ihrem Krimi geht es um den moralischen und sozialethischen Aspekt, wenn auch nie im Sinne des Kampfes um Errettung und Erlösung. Einigen der Charaktere wird nach und nach das Schlimmste zustoßen, andere werden sich so egoistisch und kaltschnäuzig wie nur möglich verhalten. Beides ahnen wir von Anfang an, nur dass die Schicksale austauschbar sind. Jeder könnte mit seinen Tricks durchkommen, jeder in die Falle gehen. Jeder außer dem Counselor, der von Anfang an keine Chance hat.

Unter den Verlorenen

Scott und McCarthy legen es auf eine Stellvertreterfunktion des Anwalts an. Sie machen ihn zum Symbol einer Funktionselite, die den Schlund nicht voll bekommen kann und sich jede Variante der eigenen Gierbefriedigung schön redet. Wir sollen also nicht darauf achten, wie genau der Counselor sich den Drogendeal vorgestellt hat. Wir sollen darüber staunen (oder eben: merken, dass wir schon gar nicht mehr darüber staunen), mit welchen Leuten er zusammen sitzt, wie er ein Schmutzgeschäft in Millionenhöhe so behandelt, als ginge es um eine Initiative ganz normalen Gewinnstrebens in der Profitgesellschaft.

Die anderen warnen den Counselor sogar permanent. Und man muss sich wirklich auf der Netzhaut zergehen lassen, von was für Typen der gute Bürger nun ermahnt wird: von Javier Bardems Figur Reiner etwa, einem Großkriminellen mit dem Gebaren eines ausgenüchterten Filmproduzenten, der als Zeitvertreib seine zahmen Geparden in der Wüste Jagd auf Hasen machen lässt. Bild um Bild, Szene um Szene, geht es um die Vermessung der Verlorenheit einer oberen Mittelschicht, die glaubt, mit allem durchzukommen.

Gott als Narco-Don

Wenn wir die Schmuggelaktion selbst und die Intrigen drum herum gezeigt bekommen, wirkt das tatsächlich oft abstrakt. Da gibt es einen Motorradfahrer, der durchs Hinterland braust, auf Straßen, auf denen nie jemand außer ihm zu fahren scheint. Man kann einen Draht spannen und Stunden darauf warten, dass er in die Falle rasen wird. Aber das ist eben schon wieder so irreal, dass kaum deutlicher gemacht werden könnte, dass wir längst in eine Hölle Dante’schen Musters blicken, wo jeder in eigenen Strafgefilden fern der Hilfe seine Quittung bekommt.

Auch der allmächtige Don der Narcotraficantes in Mexiko, mit dem ein verzweifelter Counselor in höchster Not und Pein telefonieren wird, ist keine Gestalt aus der Kriminalstatistik. Er ist eine jenseitige Erscheinung, der Gott, zu dem nun doch noch gebetet wird, dem man Buße, Gelöbnisse, Besserungsbeteuerungen anbietet. Aber, das ist der Kniff, Opportunisten und Profitler wie der Counselor haben eben auch die Gottesidee zerstört, Gott ist auch nur noch ein Gangster. Und der lässt sie weiter in der Hölle schmoren.

The Counselor. USA 2013. Regie: Ridley Scott. Mit Michael Fassbender, Cameron Diaz, Javier Bardem. 117 Minuten. Ab 16 Jahren.