Wenn Winfried zu einer Familienfeier erscheint, lernen wir viel über ihn, ohne dass es gestelzte, umständliche Erklärszenen bräuchte. Wir begreifen, wie er sich auch von denen entfremdet hat, oder die von ihm, ohne die er nicht leben möchte. Dazu hat es wohl keine großen Kräche gebraucht. Die ganz normalen Zentrifugalkräfte des Lebens haben zum Auseinanderbringen der Menschen genügt.

 

Winfrieds Tochter Ines, die Karriere in einer Unternehmensberatungsfirma macht, ist ausnahmsweise mal in Deutschland, im Kopf aber ganz bei ihrem Job in Rumänien, wo sie Konzepte zur Stellenverlagerung erarbeiten soll. Wie sehr Winfried diese von Sandra Hüller streng, ernst und angespannt porträtierte und doch in all ihren Facetten verschwenderisch gespielte Tochter vermisst, wird einem so klar, dass man es als metallischen Geschmack am Gaumen spüren kann.

Machtrituale und Blamagen

Doch damit fängt der 162 Minuten lange „Toni Erdmann“ ja erst an, das war bloß der Auftakt. Winfried reist Ines nach, er platzt in ihren Alltag in Rumänien, schiebt sich in berufliche Termine, improvisiert sich eine Stalker-Kunstfigur zusammen, die dem Film seinen Titel gibt. Er wird erst einmal eine wandelnde Blamage für Ines. Es geht nun um Familienzusammenhalt und individuelle Freiräume, aber scharfsichtig auch um Arbeitswelten und Machtrituale, um die Sprach- und Verhaltenstricks, mit denen das Menschliche aus den Etagen der Profiterwirtschaftung hinausgeschoben wird.

Ade bringt keine Karikaturen auf die Leinwand. Sie skizziert Milieus nicht bloß andeutungsweise als Kulisse. „Toni Erdmann“ funktioniert brillant als Sozialstudie, als Vorbereitungskurs für Menschen, die auch mal auf die Karriereleiter klettern möchten. Man sieht, was einen dort erwartet. Nur den Humor, die Nachsicht, die Hoffnung auf ein Fangnetz, die den Film durchziehen, sollte man sich vorsichtshalber wegdenken. Vor allem aber sollte man nicht so Szenengenaues lesen, wie nun überall ärgerlicherweise ausgeplaudert wird. Maren Ade ist zu all ihren anderen Talenten nämlich auch eine Virtuosin der Überraschung.

Toni Erdmann. Deutschland, Österreich, Rumänien 2016. Regie: Maren Ade. Mit Sandra Hüller, Peter Simonischek. 162 Minuten. Ab 12 Jahren.

Maren Ade sprengt die falschen Kategorien von schlichtem Amüsement und freudloser Analyse. Sie kann ganz großartig das Leben auf die Leinwand bitten, statt es bloß nachzustellen, sie zaubert jene in der Realität andauernd, im Kino viel seltener vorkommenden Momente hervor, bei denen man nicht weiß, ob man lachen, weinen oder auch mal vor Zorn platzen soll.

Die großen Kräche braucht es nicht

Wenn Winfried zu einer Familienfeier erscheint, lernen wir viel über ihn, ohne dass es gestelzte, umständliche Erklärszenen bräuchte. Wir begreifen, wie er sich auch von denen entfremdet hat, oder die von ihm, ohne die er nicht leben möchte. Dazu hat es wohl keine großen Kräche gebraucht. Die ganz normalen Zentrifugalkräfte des Lebens haben zum Auseinanderbringen der Menschen genügt.

Winfrieds Tochter Ines, die Karriere in einer Unternehmensberatungsfirma macht, ist ausnahmsweise mal in Deutschland, im Kopf aber ganz bei ihrem Job in Rumänien, wo sie Konzepte zur Stellenverlagerung erarbeiten soll. Wie sehr Winfried diese von Sandra Hüller streng, ernst und angespannt porträtierte und doch in all ihren Facetten verschwenderisch gespielte Tochter vermisst, wird einem so klar, dass man es als metallischen Geschmack am Gaumen spüren kann.

Machtrituale und Blamagen

Doch damit fängt der 162 Minuten lange „Toni Erdmann“ ja erst an, das war bloß der Auftakt. Winfried reist Ines nach, er platzt in ihren Alltag in Rumänien, schiebt sich in berufliche Termine, improvisiert sich eine Stalker-Kunstfigur zusammen, die dem Film seinen Titel gibt. Er wird erst einmal eine wandelnde Blamage für Ines. Es geht nun um Familienzusammenhalt und individuelle Freiräume, aber scharfsichtig auch um Arbeitswelten und Machtrituale, um die Sprach- und Verhaltenstricks, mit denen das Menschliche aus den Etagen der Profiterwirtschaftung hinausgeschoben wird.

Ade bringt keine Karikaturen auf die Leinwand. Sie skizziert Milieus nicht bloß andeutungsweise als Kulisse. „Toni Erdmann“ funktioniert brillant als Sozialstudie, als Vorbereitungskurs für Menschen, die auch mal auf die Karriereleiter klettern möchten. Man sieht, was einen dort erwartet. Nur den Humor, die Nachsicht, die Hoffnung auf ein Fangnetz, die den Film durchziehen, sollte man sich vorsichtshalber wegdenken. Vor allem aber sollte man nicht so Szenengenaues lesen, wie nun überall ärgerlicherweise ausgeplaudert wird. Maren Ade ist zu all ihren anderen Talenten nämlich auch eine Virtuosin der Überraschung.

Toni Erdmann. Deutschland, Österreich, Rumänien 2016. Regie: Maren Ade. Mit Sandra Hüller, Peter Simonischek. 162 Minuten. Ab 12 Jahren.