Stummfilm im Gotteshaus: In der Markuskirche im Stuttgarter Süden werden am Sonntag zum Orgelkino wieder bis zu 800 Fans erwartet.

S-Süd - Dass die Markuskirche am Sonntag, 20. Januar, 18 Uhr „innerhalb von vier Wochen zum zweiten Mal rappelvoll sein wird“, das freut Jutta Schöllhammer: „Ist doch schön, wenn die Kirche für vieles da ist“, sagt sie. Genau zehn Jahre alt ist das Orgelkino, das im Rahmen des seit 14 Jahren monatlich angeboten Kulturprogrammes „M22“ der Markusgemeinde stattfindet, und zwar einmal im Jahr. Schöllhammer ist federführend in der Organisation und sucht sie nach den großen Kino-Streifen, die hier abschnurren: Stummfilm-Klassiker mit einer Filmmusik, die live auf der großen Walcker-Orgel erklingt.

 

Die passenden Filme zu finden, das sei nicht ganz einfach: „Wir zeigen den Film auf originalen 35-Millimeter-Spulen, davon gibt es nicht mehr viele. 50 Stück etwa“, berichtet Schöllhammer. Einfach wäre es, per Videobeamer die Leinwand überm Altar zu bespielen. Das aber kommt nicht in Frage: „Wir wollen authentisch sein, und da gehört das Rattern des Projektors dazu, denn wir wollen auch diese ein Jahrhundert zurückliegende Epoche aufleben lassen“, erklärt die Organisatorin des Events.

Hervorragende Akustik

Kaum ein Ort in Stuttgart wäre dafür besser geeignet als diese 1908 eingeweihte Saalkirche, die quasi kulturelle Zeitgenossenschaft mit der Stummfilm-Ära atmet - und auch sonst historische Bedeutsamkeit hat. Baulich etwa als eine der ersten in Stahlbeton ausgeführten Sakralbauten, was aber wegen des Verputzes kaum erkennbar ist. Dieser ist zudem mit Korkpartikeln angereichert, was einen doppelten Effekt hat: als Wärmedämmung und als ein evidenter Beitrag zur hervorragenden Akustik, was den Orgelkino-Abend auch als Konzert zum Genuss macht. So war die Markuskirche von Anfang an auch als Konzertkirche gefragt. „Und dann“, ergänzt Schöllhammer „hat hier Pastor Martin Niemöller hier 1945 nach dem Kriegsende jene aufwühlende Predigt gehalten, die zum weltweit beachteten „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ der Evangelischen Kirche geführt hat“.

Da ließe sich jetzt ein Brücke schlagen zum M22-Motto „Was uns angeht“. Schöllhammer aber sagt: „Es ist ein Vergnügen, dass es mal kein ernstes Thema ist.“ Dafür steht schon der 1925 uraufgeführte Streifen „Varieté“, in der Regie von Ewald André Dupont entstanden. Emil Jannings habe unbedingt die Hauptrollen haben wollen, „um sich vom anstrengenden literarischen Kino zu erholen“, weiß Schöllhammer. Faszinierend sei der Film, dessen Szenen durch eine Love-Story inhaltlich verbunden sind, nicht zuletzt durch die innovative Kameraführung von Karl Freund: „Wie er da von unten gefilmt hat, das war ganz neu und hat eine großartige Wirkung.“

14 Ehrenamtliche sind im Einsatz

Zu der gehört auch die Filmmusik, die an der vom Klangbild her an der Romantik ausgerichteten Orgel von Adam Krukiewicz beigesteuert wird. Der junge Musiker hat schon eine ganze Reihe an Preisen errungen. Aktuell bestreitet er sein Aufbaustudium an der staatliche Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart, mit der die Reihe kooperiert. Ein „musikalischer Marathonlauf“ sei das, hatte seine Kollegin Shihono Higa im Vorjahr gesagt, wobei die knapp zwei Stunden Live-Musik eine halbe Stunde Unterbrechung haben: Für den Wechsel der Spule, in der das traditionelle Buffet angeboten wird. Im Gegensatz zum Eintritt ist das nicht kostenfrei. Und die sonstigen Kosten? „Die Leute waren am Ausgang immer so spendenfreudig, dass wir rausgekommen sind.“ Mit „bis zu 800 Besuchern“ rechnet Schöllhammer wieder, 14 Leute seien für diesen Kulturevent ehrenamtlich im Einsatz: „Das ist ein großer Aufwand, und ich frage mich, warum wir das machen. Aber hinterher finde ich es wunderschön. Wir haben was geschafft und den Leuten Freude gemacht.“