Peter Jacksons „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“ ist der Beginn einer Trilogie, bietet aber schon viel.

Stuttgart - Schön, dass die Dinge endlich in Bewegung kommen, freuten sich die Pioniere des Kinos, als die Filme sich vom steifen Draufstarren auf ein einziges Geschehen lösten. Von da an wurde Bewegung für einige zur Religion. Ihre Filme zeigten am liebsten, wie jemand raste, hetzte, wetzte. In diese Tradition des Lauft-um-euer-Leben-Kinos stellt Peter Jackson seine Rückkehr nach Mittelerde, den 169 Minuten langen Film „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“.

 

Das ist kein geringes Wagnis, geht es in Tolkiens Buchvorlage doch ums langsame Hineinfinden des die Beschaulichkeit und Sicherheit liebenden Hobbits Bilbo Beutlin in den Umstand, dass ihn höhere Mächte zur Schlüsselfigur einer riskanten Expedition erkoren haben.

Tolkien-Leser kennen die Geschichte, allen anderen ist sie schnell erzählt. Bilbo Beutlin soll den letzten Kriegern eines einst stolzen Zwergenvolkes helfen, den heimatlichen Berg nebst Goldschatz vom Feuerdrachen Smaug zurückzuerobern. Unterwegs besteht das vom Zauberer Gandalf begleitete Häuflein allerlei Herausforderungen, Bilbo fällt ein magischer Ring zu, und am Ende wirft die Zeitenwende aus dem „Herrn der Ringe“ ihre Schatten voraus.

„Der Hobbit“ erzählt eine viel kleinere Geschichte

Aber „Der Hobbit“ ist ein viel schlankeres Buch als der monumentale Dreiteiler „Der Herr der Ringe“. Dass Jackson daraus wieder drei jeweils überlange Filme macht – es sollen noch „Der Untergang von Smaug“ und „Hin und zurück“ folgen –, ließ im Vorfeld selbst Wohlgesinnte stutzen. Würde sich der neuseeländische Filmemacher nun gar in eine Art kommatreuen Tolkien-Fanatismus verbohren?

Nein, darf man sagen, verbissen fanatisch ist dieser Film keinesfalls. Aber er richtet sich durchaus an Menschen, die Tolkiens Fantasywelt innig lieben, die sich wenigstens zu Augenspaziergängen so lange wie möglich in Mittelerde aufhalten möchten. Für alle anderen malt Jackson nun breit aus, was die Vorlage an Action hergibt, lässt seine Helden aus einer Gefahr in die nächste rennen und setzt dabei alles ein, was die Trickcomputer ausspucken können.

Auch der „Herr der Ringe“ erzählte von einem langen Marsch voller Abenteuer. Aber das war von vorn bis hinten ein Spiel ums Ganze, ein epochaler Konflikt zwischen Gut und Böse. „Der Hobbit“ erzählt eine im direkten Vergleich viel kleinere Geschichte, er sinkt von der Ebene der großen Strategie von Gut und Böse herab zur Taktik eines einzelnen Kommandounternehmens. Da man den „Hobbit“ nicht schauen kann, ohne an die „Herr der Ringe“-Adaption zu denken, beschleicht einen beständig das Gefühl, da seien jemandem die Maßstäbe verrutscht.

Cate Blanchett als Galadriel ist wieder dabei, Hugo Weaving als Elrond, Christopher Lee als Saruman, Ian McKellen als Gandalf. Zehn Jahre später spielen sie nun jüngere Varianten ihrer Figuren. Vielleicht setzt Jackson seinen Film auch darum so oft in heftige Bewegung, weil er das skeptische Wandern der Augen unterbrechen will, jene Suche nach Differenzen zur „Herr der Ringe“-Trilogie, die den Zuschauer aus der Versenkung heraus in die kritische Distanz leitet.

Diskussion über Zukunft der Technik sollte neugierig machen

Was der Versenkung auch dienlich sein werde, war vorab zu hören, sei die neue Technik der dichteren Bildfolge, 48 statt 24 Aufnahmen pro Sekunde. An das englische Kürzel HFR (Higher Frame Rate) kann man sich zwar schon mal gewöhnen, aber einen Umsturz des Kinoerlebens, eine Entwertung des Bisherigen bietet die nur in bestimmten Kinos mögliche HFR-Projektion nicht. Allerdings auch nicht das von manchen befürchtete kältere Bild.

Mag sein, dass die viele Hektik das Auge ablenkt, mag sein, dass die 3-D-Brille viel von dem schluckt, was HFR bei einem 2-D-Bild an Schärfe bringen würde, aber „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“ bot in der Pressevorführung den Eindruck jeder guten Digitalprojektion.

Aber das gehört ja zu den Seltsamkeiten vom „Hobbit“, dass eine Diskussion über die Zukunft der Kinotechnik neugierig machen sollte auf einen Film, der uns ganz weit fortführt aus unserer Hightechwelt, hinein ins romantisch Idyllische und ins brutal Archaische.

Diesmal halten einen gerade die Widersprüche noch einmal wach in diesem Zwergengepurzel und Monsterwüten. Aber man fragt sich, wie Peter Jackson noch einmal fünf oder sechs Stunden mit Bilbos Abenteuern füllen will, ohne einem das Gefühl zu geben, auf das sinnfrei rotierende Laufrädchen eines elektrischen Hamsters zu schauen.